Brennpunkt  Hauptbahnhof

Probleme lindern und lösen – aber wie?

Diskussion am Mittwoch, 14. Juni 2023 um 19 Uhr

in der Kulturfabrik Kampnagel, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg, Tel. 040/270 949-0

 

Auf dem Podium:

Prof. Tulga Beyerle, Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe

Ulrich Hermannes, „Hoffnungsorte“

Gerd Streng, Architekt

Oliver Sträter, Vorsitzender der SPD-Bezirksfraktion Hamburg-Mitte

Moderation: Florian Zinnecker (DIE ZEIT)

 

Auch wenn die Wandelhalle unseres Hauptbahnhofs neuerdings von der restaurierten, imposanten Atlas-Statue beherrscht wird – in der Umgebung, vor allem vor dem Ausgang Kirchenallee und im weiteren Umfeld, bietet sich eine weniger glanzvolle Szenerie. Wir sind mit den Anzeichen der Verelendung konfrontiert, sehen Drogenabhängige und Obdachlose. Wie lassen sich die Probleme auf menschenwürdige Weise lösen, zumindest lindern? Es kann uns nicht gleichgültig sein, was sich an einem der belebtesten Orte unserer Stadt abspielt. Gibt es Zeichen und Handlungen des solidarischen Miteinanders, wenn es um die „Randgruppen“ der Gesellschaft geht? Und was sagen Verantwortliche in den benachbarten Kulturinstitutionen – Museen, Theatern? Wir laden ein zur Diskussion.

Fotos Gerhard Lein: Prof. Tulga Beyerle, Oliver Sträter, Ulrich Hermannes, Gerd Streng, Architekt

 

Diskussionsrunde an einem sonnigen Juni-Abend über die Schattenseiten des Daseins! Das Kulturforum hatte sachkundige Podiumsgäste in die Kulturfabrik Kampnagel geladen, um die Probleme rund um den Hauptbahnhof zu diskutieren und Lösungsmöglichkeiten zu erkunden. An einem der belebtesten Orte der Stadt zeigen sich Zeichen der Verelendung besonders deutlich. Er ist auch Ziel und Zufluchtsort für Drogensüchtige und Obdachlose. Verdrängung kann nicht die Antwort der politisch Verantwortlichen sein, eher tun Hilfe und Beratung not. Ulrich Hermannes („Hoffnungsorte Hamburg“) spricht von rund 2000 Wohnungslosen in Hamburg, davon leben etwa 1200 durchweg auf der Straße. Die meisten von ihnen haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Hermannes vermisst den klaren Willen seitens der Politik, „den Bedarf konkret zu erfassen“.

Sehr schnell konzentrierte sich die von Florian Zinnecker moderierte Debatte auf das Thema Wohnungsbeschaffung. Erste, schüchterne Erfolge: Hermannes verwies auf die neue Aufenthaltsstätte in der Spaldingstraße, die pro Tag von rund 200 Menschen genutzt wird. Und Oliver Sträter, SPD-Bezirksfraktionschef in Hamburg-Mitte, erwähnte ein Pilotprojekt für die Neustadt, das Wege intensiver Sozialarbeit mit Alkoholikern aufzeigt. „Housing first“ ist für Prof. Tulga Beyerle, Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe, Dreh- und Angelpunkt aller möglichen Hilfsprogramme. Ihr Haus hat mit der Ausstellung „Who’s next?“ Obdachlosigkeit vor dem Hintergrund von Architektur und Stadtentwicklung thematisiert. Es kamen viele fachlich Interessierte, Schulklassen, Jugendgruppen, die Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein – „aber der große Besucher-Andrang, den wir eigentlich erwartet hatten, blieb aus.“ Liegt es an fehlender Empathie für die Randgruppen der Gesellschaft?

Ulrich Hermannes vermisst Beratung und Begleitung von Menschen bei der Wohnungssuche. Der Architekt Gerd Streng kümmert sich intensiv um Bauprojekte, die sich am Bestand orientieren. Es gebe durchaus auch angesichts des Wohnungsmangels in Hamburg leerstehende Gebäude, die in Frage kämen. Er plädierte für eine Änderung der Nutzungsordnung. Oliver Sträter pflichtete bei: „Ja, diese Linie muss man verfolgen.“

Und der Hauptbahnhof selbst? Diese eindrucksvolle Halle? Alle Podiumsgäste waren sich einig: Es sollte eigentlich doch gelingen, sie zu einem lebhaften, liebenswerten Ort zu machen, an dem man gern verweilt, Leute trifft, Gespräche führt. Tulga Beyerle: „Inklusivität ist das Ziel!“

(Cornelie Sonntag-Wolgast)

Foto Podiumsgäste: Christian P. Schlichte