Das Kulturforum Hamburg und der DJV Nord laden ein:

 

„WIE GELINGT DER JOURNALISTISCHE UMGANG MIT DER AFD?“

am Dienstag, 20. Februar 2024, 19.30 Uhr,

Kulturfabrik Kampnagel, Jarrestr. 20, 22303 Hamburg

 

Die Zivilgesellschaft formiert sich gegen die rechtsextreme Bedrohung unserer demokratischen Gesellschaftsordnung und die AfD, die mit zunehmender Tendenz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Eine Correctiv-Recherche zu einem Treffen in Potsdam, bei dem die Deportation von Menschen mit migrantischem Hintergrund geplant worden sein soll, war der Auslöser. Hunderttausende demonstrieren seither unter dem Motto „Wir sind mehr!“ für eine bunte, demokratische Gesellschaft und gegen Rassismus.

 

Mit Blick auf die zunehmende Radikalisierung der AfD stellt sich die Frage, wie Medien diese Thematik behandeln. Ist es richtig, wie von der ARD-Moderatorin Caren Miosga beabsichtigt, auch mit AfD Politikerinnen und Politikern zu sprechen? Worauf sollen, müssen und können sich Journalistinnen und Journalisten einstellen im Umgang mit antidemokratischen Kräften wie der angeblichen Alternative für

Deutschland (AfD)? Und welche Rolle spielt die Sprache der Neuen Rechten im öffentlichen Diskurs?

 

Auf dem Podium:

Anja Reschke, NDR-Redakteurin

Dr. Enno Stahl, Autor und Literaturwissenschaftler, Experte zur Sprache der Neuen Rechten

Geli Tangermann, stellv. Chefredakteurin Hamburger Morgenpost

N.N., Recherche-Team Correctiv (angefragt)

Moderation: 

Marina Friedt, Vorsitzende DJV Nord, und Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Vorsitzende Kulturforum

 

Audioaufzeichnung der Veranstaltung

Fotos Florian Büh: Geli Tangermann / Anja Reschke / Enno Stahl / Fotojournalist Rafael / Wortmeldung aus dem Publikum / Voller Saal auf Kampnagel / Podiumsgäste mit Moderatorinnen

 

Seitdem ein geheimes Treffen von AfD und einigen CDU-Politikern, bei dem die Deportation von Menschen mit migrantischem Hintergrund geplant worden sein soll, öffentlich bekannt geworden ist, gehen die Menschen in Deutschland wieder auf die Straßen. Zu Hunderttausenden wird nicht nur in den Großstädten Berlin, Hamburg, München und Köln demonstriert. Nein, überall im ganzen Land zeigt die Bevölkerung Haltung. Kein Wunder, dass die Veranstaltung des Kulturforums am 20. Februar auf Kampnagel bis auf den letzten Platz besetzt war. Zumal angesichts des hochkarätig besetzten Podiums zu der Frage: „Wie gelingt der journalistische Umgang mit der AfD?“. Ob es auch Zeitungen sind, die diese Partei durch ihren alarmistischen Unterton bei Migrationsthemen nach oben geschrieben haben, ist eine wichtige Frage, doch nun stecken wir mittendrin und suchen wie nie zuvor nach Lösungen.

Vor allem geht es nun auch darum, wie sich die Medien positionieren. Inwieweit lässt man eine als rechtsextrem eingestufte Partei zu Wort kommen? Erlaubt man ihr die permanente Selbstinszenierung, mit der sie potenzielle neue Wähler und Wählerinnen erreicht? Ist es richtig, wenn die ARD-Moderatorin Caren Miosga beabsichtigt, auch mit AfD Politikerinnen und Politikern zu sprechen?

 

Geli Tangermann, stellvertretende Chefredakteurin der MOPO, interviewte kürzlich den Hamburger AFD-Politiker Dirk Nockemann. Sie betonte, wie entscheidend die Vorbereitung in solchen Gesprächen mit Rechtsaußen sei. Man müsse genauestens wissen, was die Thesen der Partei sind, was die Fakten, um dann auf im Interview angebrachte Unwahrheiten adäquat zu reagieren. Es sei vorab zu dem Interview in der Redaktion zu Diskussionen gekommen, doch „eine demokratisch gewählte Partei kann man nicht ignorieren“, sagt Tangermann. Dass Hass und Anfeindungen seit Jahren zum Berufsalltag von Journalisten und Journalistinnen dazugehören, erzählt die NDR-Redakteurin und Moderatorin Anja Reschke. Entscheidend sei, sich klarzumachen, dass die AfD ein Millionenpublikum erreichen möchte, wenn sie in im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auftaucht. „Sie wissen, welche Botschaften sie platzieren möchten. Darauf müssen wir uns einrichten, um reagieren zu können.“

 

Der ebenfalls auf dem Podium sitzende Literaturwissenschaftler und Buch-Autor Enno Stahl kam auf die Sprache der Rechten zu sprechen, die durch bewussten Einsatz immer mehr auch in unseren Sprachgebrauch übergeht. Zum „Unwort des Jahres“ wurde in diesem Jahr der Begriff „Remigration“ erklärt - und bekam damit natürlich auch medial die Bühne bereitet! Stahl fand klare Worte, wie man der Betroffenheitsfalle in TV- Shows entgegen müsse. Es dürfe nicht darum gehen, emotionale Reaktionen von den rechten Politikern zu bekommen. „Die AfD muss mit den eigenen Themen konfrontiert werden. Und zwar: so sachlich wie möglich“. Anja Reschke fordert, dass die Regierung mehr zusammenstehen müsse und sich beispielsweise Markus Söder hätte positionieren müssen, als der Grünen- Parteitag aufgrund massiver Proteste der Landwirte nicht stattfinden konnte.

Das Recherchenetzwerk Correctiv, das mit seinen Enthüllungen die deutsche Passivität im Umgang mit Rechtsextremismus in eine politische Bewegung verwandelt hat, war zwar zur Podiumsdiskussion eingeladen worden, hatte aber keine(n) Vertreter(in) geschickt. Dafür saß ein Fotojournalist auf dem Podium, der Bilder vom Parteitag der AfD zeigte und von seinen Erlebnissen dort erzählte. Die Fotos stehen für sich: Die Mitglieder der Partei wirken vereinzelt und kühl, die Atmosphäre bedrohlich. Viele angstbetonte Menschen habe er gesehen. Und viele extreme Aussagen gehört, während er knipste. Was ist dran an der Erklärung: „Das sind die Abgehängten?“  Das sei schwierig zu beantworten, sagt er. Er sei kein Psychologe, doch sicher waren da viele Sympathisanten, die der Ampel-Regierung stark misstrauen.

Die letzte Stunde der Veranstaltungen meldet sich das Publikum zu Wort. Man müsse viel mehr über die berichten, die diese Partei wählen, heißt es. Die Frage, ob zu einseitig über die Militarisierung berichtet werde, beantwortet Reschke mit einer Gegenfrage. „Spätestens nach Nawalnys Tod in der letzten Woche ist doch die Frage: ‚Schafft man es noch mit Diplomatie?‘ obsolet, oder?“ (Franziska Herrmann)