Kultur und Corona

Dr. Carsten Brosda beim Kulturforum Hamburg – Livestream aus dem Planetarium Hamburg

Moderation: Florian Zinnecker (DIE ZEIT)

Donnerstag, 18. Juni 2020 um 19.30 Uhr über unseren YouTube-Kanal

 

"Hartnäckiger ignoriert als die Kunst werden in dieser Krise wohl nur die Kinder“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ auf dem Höhepunkt der Debatte um Rettungsmaßnahmen für die vom  Corona-„Shutdown“ Betroffenen. Inzwischen wird immer mehr Menschen klar, dass Kultur kein schmückendes Beiwerk, sondern wesentlicher Teil unseres Lebens und des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist. Wie überstehen kulturelle Institutionen und Kulturschaffende die Krise? Wie unterstützt der Staat die Kulturszene? Wird das Erleben der Pandemie nachhaltiges künstlerisches Schaffen hervorbringen?

Das Kulturforum lädt zum Dialog mit Hamburgs Senator für Kultur und Medien – diesmal nicht, wie sonst üblich, im Rahmen einer Podiumsdiskussion, sondern im Livestream aus dem Planetarium Hamburg, wofür dem Hausherrn Prof. Thomas Kraupe zu danken ist. 

 

Fotogalerie zur Veranstaltung

 

Foto: Christian P. Schlichte

 

 

Oberstes Ziel: Lebenslagen absichern

Die Planeten und Sternbilder erscheinen in lila und hellgelbem Licht an der gewölbten Decke.

Ein galanter Schwenk der Kamera. Und schon sind wir mitten auf der Bühne des Planetariums im Stadtpark. Im Saal anwesend. nur wenige Akteure.

Statt der gewohnten Podiumsdiskussion findet die Veranstaltung als Livestream statt.

Insgesamt 20 Fragen von Kulturschaffenden wird Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien, in dem einstündigen Gespräch mit Florian Zinnecker von der ZEIT beantworten.

Cornelie Sonntag-Wolgast begrüßt mit den Worten des Musikers Felix Kubin: „In der virtuellen Welt kann man nicht atmen. Soll ich zu den Sternen sprechen, solange die Bretter der Welt vernagelt sind?“

Er spricht aus, was Künstler und Zuschauer vermutlich gleichermaßen erleben in diesen stillen Zeiten für Kunst und Kultur. Wann werden wir wieder unbeschwert Kunst schaffen und Kultur erleben?

In der Frage der Organisatorin eines Männerchors, der aufgrund des hohen Durchschnittsalters seiner Mitglieder natürlich nicht „live“ auftreten kann, verdeutlicht sich,  dass Kultur weit mehr ist als ein schmückendes Detail .Sie ist Nahrung und notwendiges Lebenselixier für Alt und Jung und lässt sich nicht mal eben so ins Home Office verschieben.

“Wir arbeiten nun nicht mehr daran, dass bestimmte Veranstaltungstypen verboten sind, sondern daran, unter welchen Bedingungen Veranstaltungen jetzt wieder möglich werden. Selbstverständlich unter Berücksichtigung der Abstandsregelung und der Nachverfolgbarkeit der Zuschauer”. 

Aber auch Publikum und Institutionen seien noch zögerlich. Und so müsse vielerorts das Vertrauen in das angebotene Programm erst wieder gestärkt werden.

Ob wir wertschätzend genug mit den Künstlern umgehen oder ob das Bild des armen, aber freien Poeten noch fest in manchem Politikerkopf steckt, lautet eine andere Frage. Gut und wichtig! Solches Denken ist weitverbreitet und manifestiert sich angesichts der Krise auch in der Spaltung gesellschaftlicher Bereiche in“ systemrelevant“ und „nicht systemrelevant“. Vor einem eigenständigen Hilfssystem für Künstler warnt der Senator. “Ich habe Sorge, dass so das solidarische Potenzial in unserer Gesellschaft zerschnitten wird.” Und fährt fort:  „Es ist gefährlich, wenn der Staat entscheidet, wer Künstler ist und wer nicht.” Indem Hamburg eine Neustart-Prämie von 2000 EUR für Künstler anbietet, die in der Künstlersozialkasse sind, tut der Staat das jedoch auch. Ob die Mitgliedschaft in der Ksk der schlagende Nachweis über eine künstlerische Tätigkeit ist, bleibt zu bezweifeln.

Dass den freien Künstlern die Grundsicherung offen steht, dieser  jedoch ein starkes Stigma anhaftet, bedauert Brosda und versucht abzuschwächen. “Uns ist wichtig, dass wir Lebenslagen absichern; keinesfalls möchten wir eine berufliche Neuorientierung bei Künstlern herbeiführen.”

Es sind existenzielle Fragen, jedoch keine neuen Fragestellungen. Corona vergrößert nur vorhandene Problematiken von Schriftgröße 12p zu 72p und zeigt das kränkelnde Verhältnis von Markt und Staat. Dass zum Beispiel die internationale Zusammenarbeit in der Krise scheiterte und Schleswig Holstein zeitweilig seine Grenzen schloss, stimmt ihn nachdenklich.  “Wenn wir ökonomisch gut durchkommen, bald ein Impfstoff gefunden wird und die Kunstschaffenden bei der Kunst bleiben, haben wir jetzt die Möglichkeit, etwas zu verstehen. Das kann zukünftig für uns als Gesellschaft sehr spannend werden.”

(Franziska Herrmann)