Rückblick 2017


„Sind die Medien mit schuld am Aufstieg der AFD? Und: Wie umgehen mit den Rechtspopulisten im Bundestag?“

Mittwoch, den 29.11.2017 um 19 Uhr

Internationale Kulturfabrik Kampnagel, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg

 

Mit über 90 Abgeordneten ist die AFD im neuen Bundestag vertreten. Mittlerweile fragen sich manche Kommentatoren, ob ihre Zunft mit beigetragen haben könnte zum Aufstieg der Partei. Zuviel Augenmerk auf unsägliche Zitate während des Wahlkampfs, zu viele Einladungen zu Talk-Shows? „Man muss sie wahrnehmen, ja – aber muss man über jedes Stöckchen springen, das ihre Protagonisten uns hinhalten?“ Nun hat der parlamentarische Alltag begonnen, und der Journalismus steht vor der schwierigen Aufgabe, sich mit den erstarkten Rechtspopulisten auseinanderzusetzen. Mit Gelassenheit oder Empörung, je nach Anlass? Das Kulturforum lud ein zur Diskussion:

 

Thesen zum Thema:

Stefan Endter (Geschäftsführer des DJV Hamburg, Rechtsanwalt)

 

Auf dem Podium:

Prof. Rainer Burchard (freier Journalist, ehem. DLF-Chefredakteur)

Luc Jochimsen (Journalistin, Politikerin)

Mariam Lau (politische Korrespondentin im Hauptstadtbüro der ZEIT)

Prof. Dr. Volker Lilienthal (Inhaber der Rudolf-Augstein-Stiftungsprofessur für Praxis des Qualitätsjournalismus an der Universität Hamburg)

Moderation: Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast  (Kulturforum Hamburg)

Fotos: Ibrahim Ot

Die Rechte ist mit über 90 Abgeordneten im Bundestag vertreten, ihre Wähler sind mit 12,7 Prozent der Stimmen nicht länger die „Abgehängten“ der Gesellschaft. Haben die Medien dies Ergebnis mit verschuldet, und wie führen wir künftig den Diskurs mit den Rechtspopulisten? Darüber diskutierten am 29.November 2017 auf Kampnagel Prof. Rainer Burchardt (freier Journalist/ehemals DLF-Chefredakteur), Luc Jochimsen (Politikerin/Journalistin/Soziologin), Mariam Lau (ZEIT), Cordula Meyer (Der Spiegel) und Prof. Dr. Volker Lilienthal (Rudolf Augstein Stiftung für Qualitätsjournalismus). Eingeladen hatten das Kulturforum und der DJV Hamburg.

„Aufregungsjournalismus“ als Antwort auf eine Partei, die auf Tabubruch setzt, sei nicht das Richtige, so Stefan Endter, DJV-Geschäftsführer, in seiner Einleitung vor zahlreichen Besuchern. Aber wie sehen die Journalisten selbst ihre Verantwortung für das Wahlergebnis? „Die Verantwortlichkeiten sind gut geteilt“, so Lilienthal. „Wir tragen eine Teilschuld, hatten jedoch keine Wahl wegen der Themensetzung der AFD“(Lau). „Wir wurden instrumentalisiert“(Burchardt). Cordula Meyer findet, dass der Fragestellung ein falsches Selbstverständnis der Medien zu Grunde liegt. Nach Luc Jochimsens Ansicht dienen Medien nur als Verstärker, sie greifen bereits vorhandene Strömungen auf. Allerdings komme es auf das „Wie“ in der Berichterstattung und Kommentierung an.

Der Vorwurf, dass die Journalisten überdimensional viel über die AFD geschrieben und gesendet, passt nicht zusammen mit deren Gefühl, von der Entwicklung „kalt erwischt“ worden zu sein. Darf der Journalismus das überhaupt – sich kalt erwischen lassen? Sollte er nicht so intensiv recherchiert haben und vor-informiert sein, dass er auch kleinste Bewegungen in der Gesellschaft wahrnimmt, ja sogar erahnt? Lilienthal wiegelt ab: Dies könne nicht einmal die Wissenschaft. Er sieht aber im Verlauf des Wahlkampfs ein „professionelles Versagen“ der Medienlandschaft.

Mit der Öffnung ins Publikum nahm die Diskussion mit zahlreichen Wortmeldungen eine interessante Wendung.  Die Rollenerwartungen an den Journalismus klaffen weit auseinander. Soll der Journalismus das Volk erziehen, damit es „richtig“ denkt (Frage aus dem Publikum)? Oder sollen die Medien nur abbilden, was ist? Mariam Lau sieht ihre Aufgabe darin, mit Interesse zu beschreiben. Hinter der AFD stünden auch Ansichten, die man ernst nehmen müsse. Einig waren sich die Beteiligten darin, dass die Medienvertreter heraus müssten aus ihrer „links-liberalen Blase“ und, wie Moderatorin Cornelie Sonntag-Wolgast Sigmar Gabriel zitierte, „auch mal dorthin gehen müssten, wo es stinkt.“ Betroffen zeigte sich die Hamburger Kolumnistin Peggy Parnass in ihrer Wortmeldung. „Dies ist also das Land, in das so gerne geflüchtet wird!“

So viele Meinungen an diesem lebhaften Abend auch geäußert wurden – der Konsens, den wir im Umgang mit der unschönen Realität brauchen, entsteht nur dann, wenn wir miteinander sprechen. Das ist Demokratie. (Franziska Herrmann)


Was ist das Lutherische in den Künsten?

Mittwoch, den 11. Oktober 2017 um 19.30 Uhr

in der Hauptkirche St. Katharinen, Katharinenkirchhof 1, 20457 Hamburg

 

Von Gedanken und Erkenntnissen zu den Einflüssen der Reformation auf Sprache, Bildung, Gesänge und Kirchenbauten bis zu Orgelimprovisationen spannte sich der Bogen in der Veranstaltung des Kulturforums. Die Hauptkirche St. Katharinen gilt mit ihrem Turmschaft aus dem 13. Jahrhundert nach dem Leuchtturm von Neuwerk als zweitältestes aufrecht stehendes Bauwerk Hamburgs. Für die Reformationszeit spielt sie eine wichtige Rolle. Hier wirkte der erste evangelische Pastor in Hamburg, auch ein Orgelkonzert von J.S. Bach ist 1720 hier entstanden. 1813 zogen die Franzosen in das Bauwerk ein und benutzten es als Pferdestall, 1943 wurde es im Feuersturm bis auf die Grundmauern zerstört. Und nach dem Wiederaufbau? „Die Architektur richtet auf, sie erdrückt nicht“, sagte Hauptpastorin Ulrike Murmann. „Die Kirche will auch Teil des öffentlichen Lebens sein. Sie ist täglich offen, zeigt Ausstellungen und Filme.“ – Luthers starkes Engagement für Bildung und Sprache fußt auf der Erfindung des Buchdrucks, sie machte seine Bibelübersetzung erst populär, so die Pröpstin weiter. „Von nun an konnte man selbst lesen, was in der Bibel steht.“ Ulrike Murmann erinnerte an die zahlreichen Wortschöpfungen, die in unseren modernen Sprachgebrauch Einzug gehalten haben: „Perlen vor die Säue“, „ein Herz und eine Seele“, „etwas herausposaunen“, „Stein des Anstoßes“, „ein Buch mit sieben Siegeln“, „Wolf im Schafsspelz“ und vieles mehr. Und für den Lieddichter und Komponisten Luther hatte die Musik den ersten Platz nach der Theologie. „Reformerische Identität heißt: sich nicht zurückziehen“, so Murmanns Fazit.

Der Organist und Komponist Claus Bantzer spricht von „gesungener Theologie.“ „Das Wort Gottes will gepredigt und gesungen sein“, sagte Luther. Zu seinen Lebzeiten entstand auch das Evangelische Kirchengesangbuch. Viele Texte wurden in der Reformationszeit mit Flugblättern verbreitet, auf Marktplätzen gesungen, manche Lieder wie z.B. „Nun freut Euch, lieben Christen g‘mein“ schneller, tänzerischer als in der eher gemessenen Form des heutigen Gottesdienstes.

Mit seinen nuancenreichen, phantasievollen Orgelimprovisationen, zum Beispiel über „Ein‘ feste Burg ist unser Gott“ (das Lied, das Heine einmal „die Marseillaise der Reformation“ nannte) prägte Bantzer die besondere Atmosphäre dieses Abends. Der Kunsthistoriker Arwed Arnulf lieferte mit seinen Erläuterungen und Bildbeispielen interessante Informationen zur Rolle der Reformation in der bildenden Kunst – wobei er auch erwähnte, dass die Suche nach „protestantischem Bild-Denken“ noch nicht beendet ist, sondern in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten intensiver betrieben wird. Holzschnitte und Kupferstiche dienten der Darstellung kontrovers geführter Debatten. Grundgedanke im Protestantismus: „Man soll Bilder verstehen, schön finden – aber nicht anbeten.“ Mit bemerkenswertem Eifer nutzten wohlhabende Stifter seit dem 16. Jahrhundert Kirchen zur Pflege und Betonung von Familientraditionen, indem sie Chöre und Gestühl entsprechend etwa mit Stammbäumen kennzeichneten und ausschmückten oder extra Emporen bauen ließen. Sie füllten und möblierten Gotteshäuser also  mit repräsentativen Objekten auf. Handwerksbetriebe lieferten dazu den Bedarf und zeigten ihr Angebot auf Plakaten an. Den Gästen und Freunden des Kulturforums  gefiel die Vielfalt der angeschnittenen Themen. (Cornelie Sonntag-Wolgast)

 


Was suchen Tänzer in Museen? – Oder sind es die Museen, die die Tänzer suchen?

28. September 2017 um 17 Uhr

Fabrik der Künste, Kreuzbrook 10-12, 20537 Hamburg

 

Die interdisziplinäre Verschränkung der Künste hat eine recht junge Geschichte. Zwar tauchte Tanz bereites 1905 das erste Mal im Museum auf, als die niederländische Künstlerin Mata Hari von dem Industriellen Émile Guimet eingeladen wurde, in dem von ihm gegründeten Museum asiatischer Künste zu tanzen, doch suchte, so Nele Lipp in ihrem einleitenden Vortrag, erst 60 Jahre später ein Tänzer, namentlich Merce Cunningham, das Museum als Ort der Aufführung eines von ihm choreografierten Stückes. Wo steht der Tanz im Museum heute? Dieser Frage widmet sich die Podiumsdiskussion, die im Rahmen der Ausstellung „20 Jahre interdiszipliniert. KOINZI-DANCE e.V.“ stattfindet.

 

Bis in die 70er Jahre, erinnert sich Thomas Sello, ist Interdisziplinarität Zündstoff gewesen. Heute dagegen, darin ist man sich auf dem Podium einig, sind gattungsübergreifende Momente inflationär geworden. Es sei eine kuratorische Mode, alles mit allem zu verbinden. Ob Documenta, Biennale oder die jüngst im ZKM in Karlsruhe eröffnete Ausstellung „The Art of Immersion“ – Bewegung und ein Hang zum Event finden sich allerorten. Museen weltweit, so Till Briegleb, suchen nach Performativem, man müsse aufpassen, dass man das „stille Kunstwerk“ nicht verliere, es bedürfe der Diskussion, damit die Interdisziplinarität nicht nur oberflächlich abgehandelt werde.

 

Tanz im Museum – ob nun durch Initiative der Institution oder der Tänzer – dürfe nicht zum bloßen Event werden, darin sind sich alle Podiumsgäste einig. Qualität ist gefragt und vor allem ortsspezifisches Denken. Nur ein Tanzstück, welches sich explizit auf den Ort seiner Aufführung beziehe, mache im Museum Sinn.

 

Ein kritischer Punkt bei Tanzprojekten ist die Dauer der Aufführung. Wie ist es zu bewerkstelligen, dass eine Choreographie für alle Besucher zu erleben ist? Wie finanziell zu leisten, dass sie über die Dauer einer Ausstellung kontinuierlich stattfindet? Denn Tänzer kosten Geld. Bei solchen Überlegungen angekommen, wird die Vielfalt des Tanzes im Museum ausgebreitet – ob mit museumspädagogischem Hintergrund, ob als Selbsterfahrung von Besuchern, die vor Bildern gemeinsam mit einer Choreographin das Bild in Tanz übersetzen oder als eigenständiges Werk in Form einer Performance, wie sie derzeit Anne Imhof auf der Biennale in Venedig im Deutschen Pavillon präsentiert. Die Möglichkeiten sind facettenreich, und letztlich lässt sich nicht entscheiden, wer wen sucht – die Tänzer das Museum oder das Museum die Tänzer. Denn beides ist der Fall und letztlich ist der wichtige Punkt, um den sich alles dreht, der, dass die Künste untereinander im Gespräch sind und sich austauschen. Dass dies nie ohne Diskussion und Kritik geschieht liegt in der Natur der Sache, umso wichtiger ist es deshalb, die Diskussionen zu führen. Der heutige Abend hat es bewiesen. (Anne Simone Krüger)

Fotos: Günther von der Kammer


Filmszene Hamburg – unterbelichtet?

am Donnerstag, dem 14. September 2017, um 19.30 Uhr

Internationale Kulturfabrik Kampnagel, Jarrestraße 20 22303 Hamburg

 

Hamburg hat nicht nur Filmgeschichte geschrieben („Die kritische Masse“), sondern hier lebt und arbeitet die Elite des deutschen Films. Wir finden, dass dem großen Potential, das Hamburg im Bereich des Mediums Film zu bieten hat, zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Elbphilharmonie, Oper, Theater und Kunsthalle stehen im Focus – die Filmszene jedoch muss nach vorn gerückt werden! Wir wollen keinen verklärenden Rückblick halten, sondern eine Diskussion über die Entwicklungen und Veränderungen, etwa bei der Filmförderung, der Ausbildung und insgesamt in der Kinolandschaft anregen. Und dabei wird vielleicht auch die Frage beantwortet, wie der „Perle“ mehr Glanz verliehen werden kann.

 

Es diskutierten:

Hark Bohm, Autor, Regisseur, Produzent, Schauspieler, Prof. em.

Matthias Elwardt, Geschäftsführer und Programmchef Abaton Kino

Gaby Scheld, Inhaberin und Agentin der Agentur la gente

Andrea Schütte, Produzentin, geschäftsführende Gesellschafterin Tamtam Film

Moderation: Michael Töteberg, Filmwissenschaftler, Publizist

 

Alle Podiumsgäste waren sich einig: das Fragezeichen hinter dem Titel der Kulturforums-Veranstaltung am 14.September auf Kampnagel kann man streichen. Jawohl, die Hamburger Filmszene ist im öffentlichen Interesse unterbelichtet, aber auch die Kreativen selbst „machen den Rücken nicht stark genug, sie sind zu bescheiden“, meint Gaby Scheid. „Es braucht eine Revolution.“ Ebenso wie Andrea Schütte und Moderator Michael Töteberg beklagt auch Raoul Reinart (der anstelle des kurzfristig verhinderten Hark Bohm an der Diskussion teilnahm), dass der NDR Kino-Produktionen nicht ausreichend fördere. Reinart ist übrigens Mitbegründer einer Initiative von 18 unabhängigen Hamburger Produktionsfirmen und Filmschaffenden, die sich unter dem Titel „Hamburg lebt Kino!“ für die nachhaltige Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen und Filmemacher engagiert.

Matthias Elwardt präsentierte eindrucksvolle Zahlen. Hamburg ist der erfolgreichste Kino-Standort in Deutschland, was die Auszeichnungen betrifft. Zu Spielen des HSV gehen jährlich 800 000, ins Kino hingegen 4 Millionen Menschen im Jahr. Die Zahl der Kinos ist seit Jahren konstant, aber die Film-Produktionen haben sich verdoppelt. Und das Interesse der Medien, insbesondere der Tageszeitungen, hat nachgelassen. „Wilde Kreativität hat kaum Plätze, um sich zu entfalten“, sagte Andrea Schütte. „Die Filmschaffenden müssen einander und sich selbst aber auch vertrauen, müssen Impulse setzen, Aufbruchsstimmung erzeugen.“  Einigkeit herrschte auf dem Podium auch darin, dass man gezielter um private Unterstützer in der wohlhabenden Kaufmannsstadt Hamburg werben solle; erstrebenswert auch ein zentraler Treffpunkt, ein Haus für den Film, in dem die Filmschaffenden und Produktionsfirmen sich unter guten Arbeitsbedingungen austauschen und tätig werden können. Fazit aus Sicht des Kulturforums: die Anregungen dieses Diskussionsabends aufgreifen und weitertragen!

Fotos: Günther von der Kammer


Neue Impulse – die Kunsthalle im Aufbruch?

Prof. Dr. Christoph Vogtherr im Gespräch mit Dr. Melanie von Bismarck (freie Kulturjournalistin)

am Donnerstag, den 13. Juli 2017, um 19 Uhr

in der Hamburger Kunsthalle

 

Seit neun Monaten ist Prof. Dr. Christoph Voghtherr als neuer Direktor der Hamburger Kunsthalle im Amt. Welches Resumée kann über diese Zeit gezogen werden? Wie hat der Direktor seine ersten Monate an der Hamburger Kunsthalle erlebt, was angepackt und wo sieht er für die Zukunft Handlungsbedarf? Im Dialog mit Dr. Melanie von Bismarck geht es um Kulturpolitik, öffentliche Förderung, neue Vermittlungskonzepte und die Frage, wie und ob sich der Auftrag der Kunsthalle seit dem Gründungsdirektor Lichtwark geändert hat.

Fotos: Günther von der Kammer

 

Das ideale Museum – wie sähe es aus? Prof. Dr. Vogtherr, der die letzten fünf Jahre die Wallace Collection in London geleitet hat, betont, dass gerade die Hamburger Kunsthalle als durch die Bürger selbst gegründetes Museum in erster Linie ein Museum für die Stadtgesellschaft sein soll. Wichtig sind deshalb vielfältige Angebote, die ein breites Spektrum an potenziellen Besuchern erreichen, und Offenheit. Das Museum versteht  Vogtherr als eine Art Forum, einen Ort des Austauschs, an dem man sich mit seiner eigenen Geschwindigkeit der Kunst annähert, sich wohlfühlt und sich gerne aufhält. Weltweit tendieren Museen dazu, Lounge-Bereiche einzurichten, die den Besuchern die Möglichkeit zum Durchatmen und Verweilen bieten – auch für die Kunsthalle denke man aktuell über solche Konzepte nach. Zumal gerade auch die auswärtigen Besucher, deren Anteil bei 70 % liegt, schnell feststellen müssen, dass ein Haus dieser Größe Zeit in Anspruch nimmt, um die umfangreiche Sammlung zu entdecken.

 

Der Direktor will auch wieder mehr Hamburger auf die Werke in der Kunsthalle neugierig  machen. In der Tradition Lichtwarks sei man nach wie vor am Überlegen, wie man das Publikum erreiche – die Fragen des Gründungsdirektors seien immer noch aktuell, auch wenn die Antworten heute andere sind. Ein Schritt, um eine diversifiziertere Besucherschaft anzusprechen und gleichzeitig der Testlauf eines modernen partizipativen Anspruchs ist die von Voghtherr initiierte Ausstellung „Open Access“, die noch bis zum 27.8.17 zu sehen ist. Mehr...

 


G-20-Gipfel - Deeskalation via Sprache und Kommunikation

am 22. Juni 2017 um 19:30 Uhr 

Kulturfabrik Kampnagel. Jarrestr. 20. 22303 Hamburg

 

Auf dem Podium:

Frank Drieschner (Reporter Die Zeit)
Dr. Siglinde Hessler* (Abteilungsleiterin Grundsatz/Politische Planung DGB Bezirk Nord)
Emily Laquer* (Pressesprecherin Interventionistische Linke)
Dr. Heike Löschmann (Referentin für Internationale Politik Heinrich-Böll-Stiftung)
Timo Zill (Pressesprecher Polizei Hamburg)
* Mit Dr. Siglinde Hessler und Emily Laquer sind zwei Protestinitiativen vertreten
Moderation: Jürgen Heuer (Vorsitzender Landespressekonferenz Hamburg)

Fotos: Ibrahim Ot

Die Sicherheitsbehörden wappnen sich – die Gegner und Kritiker des G-20-Gipfels ebenso. Es wird viele Demonstrationen geben, Zusammenstöße sind nicht auszuschließen. In zugespitzten Situationen sind Polizei, Veranstalter von Kundgebungen ebenso wie Reporter dazu aufgerufen, sprachlich abzurüsten, nur gesicherte Erkenntnisse und Fakten mitzuteilen und Gerüchten über mutmaßliche Handlungsabläufe bis hin zu vorschnellen Schuldzuweisungen entgegenzutreten.

In Kooperation luden der Deutsche Journalisten-Verband Hamburg (DJV) und das Kulturforum Hamburg Polizeisprecher, Initiatoren friedlicher Proteste und Medienvertreter zum Disput ein.

 

Die Diskussion versprach interessant zu werden, trafen doch u. a. Vertreterinnen zweier Protestinitiativen - Dr. Siglinde Hessler (Abteilungsleiterin Grundsatz/Politische Planung DGB Bezirk Nord) und Emily Laquer von der "Interventionistischen Linken" auf den Polizeisprecher Timo Zill, und auch die anderen Diskutanten, Frank Drieschner, der als Redakteur der ZEIT Hamburg über den Gipfel berichten wird, und Dr. Heike Löschmann (Referentin für Internationale Politik Heinrich-Böll-Stiftung) machten ihre Standpunkte sehr deutlich. Doch wenn einer der schlimmsten Vorwürfe, die Kontrahenten einander machen, "Kuschelkurs" ist, dann kann es nicht so schlecht laufen; und dafür hat hier ganz klar Moderator Jürgen Heuer gesorgt, der es auf sehr souveräne Art verstand, den Podiumsteilnehmern einerseits deutliche Statements abzufragen, auf der anderen Seite aber dafür sorgte, dass kleine Polemiken nicht ausuferten und jeder seinen Standpunkt und sein Anliegen dezidiert darstellen konnte.

Zumindest dieses Podium wurde dem hoffnungsvollen Veranstaltungstitel gerecht; es wäre wünschenswert, wenn die Aktivitäten und Aktionen um den Gipfel herum ebenso verliefen. Mehr...

(Renata Green, DJV Hamburg)

 

Nachtrag zum Bericht über unsere G 20 – Veranstaltung:

Nach den Ausschreitungen anlässlich des „G 20-„ Gipfels in Hamburg am 7. und 8. Juli 2017 sehen auch wir vom Kulturforum Anlass zur Selbstkritik. Im Verlauf unserer Podiumsdiskussion auf Kampnagel am 22. Juni unter dem Titel „G 20 – Deeskalation via Sprache und Kommunikation“ hatte einer unserer Podiumsgäste, Emily Laquer von der „Interventionistischen Linken“, es trotz eindringlicher Fragen eines Besuchers nicht geschafft (oder nicht gewollt?), sich klar von eventuell zu erwartenden Gewaltanwendungen aus dem Lager der Gipfel-Gegner zu distanzieren. Heute sagen wir: Nach wie vor halten wir es für richtig, dass wir Frau Laquer als Mit-Organisatorin einer der zahlenstärksten Demonstrationen als Diskutantin eingeladen haben. Aber wir hätten ihr im Verlauf des Abends laut und energisch widersprechen müssen. Stattdessen haben wir im Stillen gedacht: Sie entlarvt sich selbst. Aber das war nicht genug.


Oberbaudirektor in Hamburg - Bilanz und Perspektiven

Prof. Jörn Walter im Gespräch mit Prof. Ullrich Schwarz (ehem. Geschäftsführer der Architektenkammer Hamburg)

8. Juni 2017 um 19.30 Uhr

in der Aula der HfbK, Lerchenfeld 2, 22081 Hamburg

Fotos: Gerhard Lein

„Es gibt kaum einen Job, der so viel Energie und Kraft erfordert“, so leitete Prof. Ullrich Schwarz, ehemaliger Geschäftsführer der Architektenkammer Hamburg, das Gespräch mit dem scheidenden Hamburger Oberbaudirektor Prof. Jörn Walter ein. Walter widersprach dieser Einschätzung nicht, zeigte aber doch, wie viel Freude ihm die schwierige Aufgabe in seiner 18jährigen Amtszeit dennoch gemacht hat und mit welcher Leidenschaft er an die künftige bauliche Entwicklung Hamburgs denkt. Rund 60 Besucher in der Aula der „Hochschule für bildende Künste“ lauschten gespannt dem Disput zwischen zwei Experten.

Wie gehen wir mit Geschichte und Zukunft einer Stadt um, wie entwickeln wir neue Ideen für ihre Gestaltung? In Dresden, seiner früheren Wirkungsstätte, habe das eine große Rolle gespielt, erzählte Walter. Doch die Stadt habe nicht die Kraft für wirklich Neues gefunden. Anders Hamburg, wo man diese Kraft durchaus habe, manchmal allerdings zu schnell  Altes als nicht erhaltenswert eingestuft habe. „Wie brutal die Gründerzeit-Bauherren in die Städte hinein gehauen haben, wie rigoros bis in die 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts abgerissen worden ist – das ist nicht mehr unsere Linie. Wir sind vorsichtiger, abwägender – wir fragen auch, wie gefährlich radikale Umbrüche sind.“ Die Zeiten des Umbruchs in den 60er und 70er Jahren hätten ihn stark geprägt, verriet Walter. Aber es sei nun eben auch die Phase des „kleinteiligen Weiterbauens“ in den Städten; das große Projekt Hafen City mit ihren Dimensionen sei deutschlandweit die Ausnahme. Mehr...

 


Ein Gespräch mit dem neuen Direktor der Hamburger Kunsthalle Prof. Dr. Christoph Martin Vogtherr über die Ausstellung „Open Access“ und seine Vorstellungen für den zukünftigen Kurs der Hamburger Kunsthalle

18. Mai 2017, Hamburger Kunsthalle

 

Über eine exklusive Führung mit dem neuen Direktor der Hamburger Kunsthalle durch die Ausstellung „Open Access“ durften sich die Mitglieder des Kulturforums freuen. Prof. Dr. Vogtherr, der zuletzt in London an der Wallace Collection als Direktor tätig war, hat sein Amt im Oktober 2016 angetreten. Auslöser für die experimentelle Ausstellung „Open Access“ ist die große Tradition der Kunsthalle in Sachen Vermittlung. Alfred Lichtwarks museumspädagogische Ansätze waren sehr früh sehr revolutionär. Bereits in London hatte Vogtherr außergewöhnliche Vermittlungsprojekte umgesetzt: Er lud eine Schulklasse ein, in Kooperation mit den Kuratoren eine Ausstellung zu realisieren. Der Direktor möchte auf die Gesellschaft reagieren, die um das Museum lebt, und das Ausstellungsprogramm der Hamburger Kunsthalle derartig  ergänzen, dass auch neue Besucher angesprochen werden. Mehr...

 

Das Konzept von „Open Access“ ist Vogtherrs eigenem Neuankommen in Hamburg und dem Kennenlernen sowohl der Stadt als auch der Kunsthalle geschuldet. 13 Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen, zu unterschiedlichen Zeiten und aus unterschiedlichen Kulturkreisen nach Hamburg kamen, wurden eingeladen, gemeinsam mit dem neuen Direktor und mit der Unterstützung des wissenschaftlichen Personals eine Ausstellung zu gestalten, die es so an der Kunsthalle noch nicht gegeben hat, und dabei gemeinsam mit Vogtherr das Archiv, wie auch das Museumsdepot zu erkunden. Die Leitfrage: „Was ist Ihnen wichtig?“ führte zur Ausarbeitung der fünf Kapitel Freiheit, Respekt, Gemeinschaft, Dialog und Empowerment. Zu jedem dieser Leitbegriffe wurden aus den Beständen des Museums Werke ausgewählt, die  für die Teilnehmer genau diese Themen visualisieren. Zitate aller Beteiligten verdeutlichen in der Ausstellung, warum die Entscheidung auf diese Arbeiten fiel. So ist eine Präsentation entstanden, die aktuelle Fragen der Gesellschaft aufnimmt und verhandelt. Mehr...

 


„Kultur in Europa – Kultur für Europa!“

am 30. März 2017 um 19 Uhr 

in der Freien Akademie der Künste, Klosterwall 23, 20095 Hamburg

 

Knut Fleckenstein, Mitglied des Europäischen Parlaments

Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, Professor für Philosophie und politische Theorie, Staatsminister a.D.

Sir Jeffrey Tate, Chefdirigent der Symphoniker Hamburg

Gesprächsleitung: Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Kulturforum Hamburg

Fotos: Günther von der Kammer

Die Idee vom einheitlichen Europa erntet heute zunehmend Skepsis. Nationalismen und Finanzkrisen gefährden den Zusammenhalt. Kann Kultur Brücken bauen zwischen den Nationen und eine europäische Identität hervorbringen?

Trotz der akuten Probleme sehen die Podiumsredner optimistisch in die Zukunft. Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, Professor für Philosophie und politische Theorie, sieht auch positive Entwicklungen. In Frankreich werde voraussichtlich ein pro-europäischer Präsident gewählt und in England sei sich die junge Generation ihrer politischen Verantwortung bewusst, Brexit hin oder her. Europa stecke, so Nida-Rümelin, nicht das erste Mal in einer Krise. Doch sei es gerade jetzt sinnvoll, den Fokus auf Kultur zu legen und sich sowohl zu fragen, wie Demokratie funktioniert, als auch zu überlegen, welche Rolle dabei der Kultur zukommt. Es sei eine „sympathische liberale Auffassung, dass Politik am besten funktioniert, wenn sie sich gegenüber kulturellen Identitäten neutral verhält.“

Demokratie beruht auf starken kulturellen Prämissen und Bedingungen. Und das europäische Projekt steht und fällt mit diesen kulturellen Bedingungen. Diese, davon ist Nida-Rümelin überzeugt, befinden sich deshalb in starker Erosion, weil Europa sich monozentrisch auf die US-amerikanische popkulturelle Prägung ausrichtet. Dabei ist Europa der reichhaltigste Kulturraum der Welt. Wieso also ist es nicht gelungen, diese europäische Identität, die zu Zeiten eines Johannes Kepler selbstverständlich war, zu erhalten? Die Nationalstaaten sind immerhin gerade erst einmal 200 Jahre alt. Wer soll die Versäumnisse aufholen? Nida-Rümelin: „Da kann nicht ein Akteur benannt werden. Wir alle müssen uns fragen: Was ist uns wichtig?“ Mehr...

 


Tanz bewegt Hamburg - Potentiale und Perspektiven

am 8. März 2017 um 19 Uhr

Kulturfabrik Kampnagel. Jarrestr. 20. 22303 Hamburg

 

Dr. Kerstin Evert, Leiterin K 3 – Zentrum für Choreographie/Tanzplan Hamburg

John Neumeier, Ballettintendant und Chefchoreograf des Hamburg Ballett

Madeline Ritter, Geschäftsführung Diehl+Ritter/Projektleitung Tanzfonds Erbe und Dance On, Berlin

Gesprächsleitung: Dr. Dorion Weickmann, Redakteurin der Zeitschrift „tanz“ und Tanzkritikerin, u.a. für die „Süddeutsche Zeitung“

Foto: Günther von der Kammer

Ist Hamburg eine Tanzstadt? Die Voraussetzungen wären gegeben. Seit 40 Jahren leitet John Neumeier, Ehrenbürger der Stadt Hamburg und mit zahlreichen Preisen für seine Leistungen ausgezeichnet, das Hamburger Ballett und bietet Vorstellungen im Weltformat. Neben dem klassischen Programm lassen sich in Hamburg aber auch zeitgenössischer Tanz oder Performance studieren. Spätestens seit Hans in’t Veld sind sie fester Bestandteil der Kulturfabrik Kampnagel, die eine reiche Bühne für internationale Tanz-Projekte bietet. Und das innovative Projekt K3, Zentrum für Choreographie, prägt die Tanzlandschaft seit nunmehr 10 Jahren mit. Gerade nach der Eröffnung der Elbphilharmonie, die aktuell alle Aufmerksamkeit auf die Musik lenkt, ist die Frage höchst interessant, wie die führenden Köpfe der Szene die Potentiale und Möglichkeiten Hamburgs in dieser Kultursparte sehen.

 

Dass Hamburg das Potential zu einer Tanzstadt hat, darin sind sich die Podiumsgäste einig. Aus Berliner Sicht, so Madeline Ritter, gehen von Hamburg vor allem auch Impulse aus. Der Tanzplan z.B. wurde als Konzept in Hamburg erdacht. Einig sind sich jedoch auch alle, dass es Vieles zu verbessern gilt. Zwei zentrale Problempunkte kristallisieren sich im Laufe des Gesprächs heraus. Der eine ist die Nachwuchsförderung. Dort müsse man, so Dr. Kerstin Evert, an den Strukturen und an einer Kontinuität arbeiten, die den jungen Tänzern auch nach dem Ende einer Förderung Perspektiven eröffnet und sie auf ihrem Weg weiter unterstützt. Madeline Ritter sieht in dem Fehlen nachhaltiger Fördersysteme ein bundesweites Problem. Ein zentraler Aspekt ist für sie auch die Frage, wie sich eine ganze Compagnie an ein Haus binden lässt. Wer zahlt hierfür, wie lassen sich entsprechende Fördermittel generieren? Sinnvoll wäre ihrer Meinung nach ein Dreiklang aus Stadt, Land und Bund. Mehr...

 


„Hate Speech“ – die Verrohung der Kommunikation im Netz 

30. Januar 2017 um 19.30 Uhr

 

Dr. Susanne Gaschke,“Welt-Autorin“

Dr. Barbara Hans, Chefredakteurin „Spiegel-Online“

Anetta Kahane, Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung

Jörg Nabert, Medienanwalt

Thorsten Schäfer-Gümbel, Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie

Gesprächsleitung: Kai-Hinrich Renner (Medienjournalist)

Foto: Günther von der Kammer

Woher kommt dieser unfassbare, unbändige Hass, der sich aktuell insbesondere im Internet Raum verschafft? Und muss Hate-Speech in einer Demokratie toleriert werden? Anetta Kahane, Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, benennt Hass in ihrem Einführungsvortrag als eines der größten Themen unserer Zeit. Sie spricht dabei nicht zuletzt aus der Position einer Betroffenen. Die Amadeu Antonio Stiftung, die sich für eine demokratische Kultur und gegen Rechtsextremismus engagiert, hat die aktuelle Hasswelle unmittelbar zu spüren bekommen. Auf die Herausgabe einer Broschüre, die sich gegen die Online-Hetztiraden gegenüber Flüchtlingen aussprach, folgten ein regelrechter Shit-Storm und eine Flut von Hassmails. Der Hass, der sich dabei Bann bricht, hat in den letzten Jahren, wie sich auch an diesem Beispiel zeigt, seine Ausrucksformen geändert. Von direkten Angriffen auf Migranten und Flüchtlinge verlagert er sich zunehmend auf die Frage, wer schuld daran ist, dass sie gekommen sind. Dabei wird versucht, die Gesellschaft zu polarisieren und zu spalten. Initiativen wie die Amadeu Antonio Stiftung, die gegen Rechtsextremismus vorgehen oder wie die Gruppe ‚Korrektiv’, die Fake News, also bewusst gestreute falsche Nachrichten enttarnen, werden als Internet-Stasi oder Wahrheitsministerium beschimpft.

Wer hat nun zu verantworten, dass ein derartiger Hass geschürt wird, der noch dazu so präsent in die Öffentlichkeit dringen kann? Das Internet? Facebook, Internet oder Twitter? Und vor allem – inwieweit kann und soll man hier eingreifen? Mehr...