Lernziel Erinnerungskultur

Was Hamburg im Umgang mit Gedenkstätten verändern muss

am Dienstag, 10. Mai 2022, um 19 Uhr

in der Kulturfabrik Kampnagel, Jarrestraße 20, 22303 Hamburg, Tel. 040/27094949

 

Wie schafft es unsere Stadt, das Gedenken an die Verbrechen des Nationalsozialismus würdig zu gestalten? 77 Jahre nach dem Ende der Hitler-Diktatur gewinnt die öffentliche Diskussion darüber an Fahrt. Vor allem geht es um die bislang unzureichende Gestaltung des Stadthauses, des einstigen GESTAPO-Hauptquartiers. Aber auch andere Gedenkorte sollten neu konzipiert werden – nicht zuletzt, um junge Menschen anzuregen, sich mit den Schreckenstaten des NS-Terrors zu beschäftigen und die Erinnerung an die Opfer wachzuhalten. Das Kulturforum Hamburg lädt ein.

 

Es diskutierten:

Prof. Dr. Detlef Garbe (Vorstand der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte)

Dr. Herlind Gundelach (ehem. Senatorin für Wissenschaft und Forschung, Präses des Zentralausschusses Hamburger Bürgervereine)

Siri Keil (Kulturjournalistin, Moderatorin, Kulturvermittlerin und engagiert in der ‚Initiative Gedenkort Stadthaus‘)

Wolfgang Kopitzsch (Historiker, Vorsitzender des Arbeitskreises ehemals verfolgter Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten)

Moderation: Peter Ulrich Meyer (Leiter Landespolitik beim Hamburger Abendblatt)

 

Fotos Gerhard Lein: Podium Lernziel Erinnerungskultur, Siri Keil, Detlef Garbe, Wolfgang Kopitzsch, Herlind Gundelach, Moderator Peter Ulrich Meyer

Die Frage, wo und wie Hamburg der Opfer des Nationalsozialismus gedenkt, beschäftigte das Kulturforum nicht zum ersten Mal. Der Hamburger Weg zu seinen Gedenkorten ist zäh. Nach dem Verkauf der Stadthöfe an die Quantum AG und der unbefriedigenden Ausgestaltung des Gedenkortes Stadthaus eröffnet sich für das Projekt mit der Insolvenz der Buchhandlung Anfang dieses Jahres die Chance zu neuen Konzepten. Doch was kommt nun? Damit beschäftigte sich die Runde auf Kampnagel. 

„Schwere Themen müssen auch in der Innenstadt thematisiert werden“, betont Wolfgang Kopitzsch. Er appelliert, dass Hamburg das Thema Nationalsozialismus breit darstellen müsse. Als gelungenen Ort der Erinnerung führt er das NS-Dokumentationszentrum in München an. Mögliche Räume für das Gedenken sind vor allem sowohl die Wagenhalle im Stadthaus als auch das Görtz’sche Palais am Neuen Wall, für das sich die Initiative Stadthaus einsetzt.

Inhaltlich mache dieser Ort Sinn, betont Siri Keil von der Initiative. Dort haben zu NS-Zeiten die Leiter von Polizei und Gestapo residiert, durch dessen Tore fuhren die Verhafteten und Inhaftierten auf den Gestapo-Hof. Sie betont, dass es im Einwanderungsland Deutschland Perspektiven und erweiterte Ansätze in der Vermittlung der NS- Geschichte brauche. Ein offenes Angebot, das auf die sich verändernden Fragen antwortet, sei nötig.

Erfahrungsorte brauche es. „Lernorte“ sei für sie ein Wort mit erhobenem Zeigefinger, denn die Besucher sollten aus eigenem Antrieb versuchen zu begreifen, sagt Dr. Herlind Gundelach. Die Stadt müsse einen Teil des Gebäudes zurückkaufen, damit dieses „nichts Halbes - nichts Ganzes‘ aufhöre. „Der verkappte Umgang mit der Erinnerungskultur hat auch damit zu tun, dass Hamburg sich eben nie dazu bekannt hat, dass es eben nicht unschuldig war, wie es so oft behauptet.“

Die im Stadthaus gelegene historische Wagenhalle könne diesen offenen Umgang mit der Vergangenheit verdeutlichen. Zentral gelegen mit Glasdach und auf über 800 Quadratmeter, bekommt sie an diesem Abend viel Zuspruch.

 

Mehr Sorgfalt und Nachdenklichkeit insgesamt wünscht sich Wolfgang Kopitzsch bei der Frage nach einem geeigneten Ort. Die Erinnerung an den Widerstand in das Konzentrations- und Straflager nach Fuhlsbüttel zu verlegen, sei moralisch und ethisch nicht in Ordnung.                                                                                                               „Bei zukünftigen Gedenken im Stadthaus muss der Widerstand in den Fokus gerückt werden“, betont auch Prof. Dr. Detlef Garbe.                                     

„Immer geht es doch um die Frage, wie erreicht man Haltung. Der Weg zu dieser ist, die Dinge nicht nur in den Kopf, sondern auch ins Herz zu kriegen“, sagt Kopitzsch. Gut aufbereitete Erinnerungsorte und Ausstellungen erreichten Besucher auf emotionaler Ebene und seien nicht zuletzt deswegen so wichtig.

Als das Publikum zu Wort kommt, wird es noch einmal hitzig. Hamburgs Fehler in der Denkmal- und Erinnerungskultur werden aufgezählt. Doch die letzten Worte gehören einem Familienmitglied der Burmester Familie, die auch anwesend ist. „Zum Gedenken gehört Demokratieförderung“, schließt die Verwandte des Widerstandskämpfers Carl Burmester den Abend.                                                                      

Die Besucher der Diskussionsrunde bleiben im Anschluss noch da, tauschen sich aus und diskutieren. An diesem Abend ist es gelungen, das Erinnern wieder ein Stückchen mehr in den Fokus zu rücken.

(Franziska Herrmann)