Bibliotheken heute – Auslaufmodell oder Zukunftsprojekt?                   

Mittwoch, 20. November 2019 um 19 Uhr

Zentralbibliothek am Hühnerposten 1

20097 Hamburg

 

Trotz der fortschreitenden Digitalisierung und des latenten Bedeutungsverlusts der Papierkultur: Bibliotheken haben Hochkonjunktur, ihr Image ist besser denn je, der Zuspruch wächst. Vielerorts prägen sie als neue architektonische Highlights das Stadtbild. Das Konzept von Bibliotheken erneuert sich – und damit auch die Aufgaben der Menschen, die sie gestalten. Wir möchten diese Entwicklung mit zwei Gesprächspartnern erörtern, die seit September 2019 die „Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen“und die Staats- und Universitätsbibliothek („Stabi“) leiten. Bibliotheken gelten heute als Maßstab für „Dritte Räume“. Sie sind aktiver Teil der Stadtgesellschaft, treten ein für Demokratie und Vielfalt. Sie befördern digitale Mündigkeit, kulturelle Bildung und gesellschaftliche Teilhabe, sie unterstützen durch Open Science-Strategien den wissenschaftlichen Lehr- und Forschungsbetrieb.

           

Auf dem Podium:

Frauke Untiedt (Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen)                                                   

Robert Zepf (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg)                                                       

Moderation: Daniel Kaiser (NDR-Kulturredakteur)

 

Podiumsgäste mit dem Moderator Daniel Kaiser / Hella Schwemer-Martienßen bei der Einführung / Blick ins Publikum, Fotos: Renate Kammer / Vorbesprechung mit Moderator Daniel Kaiser, Cornelie Sonntag-Wolgast und den Podiumsgästen, Foto: Günther von der Kammer

„Wozu brauchen wir eigentlich noch Bibliotheken?“, fragte Moderator Daniel Kaiser die beiden Podiumsgäste Frauke Untiedt und Robert Zepf. Die Antwort liefern die Besucherzahlen. Sowohl in die Zentralbibliothek am Hühnerposten als auch in die Staats- und Universitätsbibliothek („Stabi“) kommen täglich mehrere tausend Gäste – und das im Zeitalter der Digitalisierung. Robert Zepf nennt als einen Grund: „Längst nicht alles ist frei zugänglich. Und die Menschen wissen: angesichts um sich greifender ‚Fake News‘ kann man nicht allen Quellen vertrauen.“  Frauke Untiedt macht deutlich: „Bibliothekare sind nicht dazu da, die Qualität von Texten zu bewerten. Sie sollen einstufen, zuordnen. Und sie treffen ihre Auswahl nach bestem Wissen und Gewissen. Aber wir fühlen uns nicht verpflichtet,  fremdenfeindliche, ausgrenzende und hasserfüllte Bücher im Sortiment zu haben.“

Das Publikum im gut gefüllten Saal der Jugendbibliothek hatte viele kritische Kommentare. So ging es um das nach Meinung mancher Gäste schrumpfende Sortiment an Kunstbänden oder Musikliteratur – ein Vorwurf, den beide Podiumsteilnehmer so nicht gelten lassen wollten. Beide verwiesen darauf, dass manche Veröffentlichungen aus Platzmangel ausgelagert werden müssten, aber eben nach gewissen Wartezeiten erhältlich seien. Beide betonten auch die gesellschaftspolitische Bedeutung von Bibliotheken heute. Sie haben die Funktion eines „Dritten Ortes“ – eines Platzes neben Zuhause und beruflicher Wirkungsstätte, wo man sich gern aufhält, oft auch in Gruppen zusammensitzt und arbeitet. Deshalb, so Frauke Untiedt weiter, seien Bücherhallen gerade in weniger privilegierten Stadtteilen so wichtig. „Kommunikation findet bei uns weniger am Tresen als bei Veranstaltungen statt.“ Und Robert Zepf betonte: „Auch wissenschaftliche Bibliotheken sind heute Orte der Kommunikation. Sie sind kulturelle Orte, an denen Kommerz keinen Platz hat.“ 

Und: Bibliotheken fördern den sozialen Zusammenhalt, das gesellschaftliche Miteinander. Deshalb engagieren sie sich bei der Aktion „Die Vielen“, einer Initiative künstlerisch tätiger und kunstinteressierter Menschen, die sich gegen rechtspopulistische Hetze und Angriffe auf die Kunst- und Medienfreiheit wenden. (Cornelie Sonntag-Wolgast)