Hamburgs Umgang mit der Erinnerungskultur

Ein Besuch der Mitglieder des Kulturforums im ehemaligen Gestapo Hauptquartier an der Stadthausbrücke

 

Die vielen Interessierten gaben sich noch vor der Begrüßung durch Gert Hinnerk Behlmer Staatsrat a.D., Vorstand Kulturforum), Dr. Annette Busse (Referatsleiterin für  Erinnerungskultur in der Behörde für Kultur und Medien),  Stephanie Krawehl (Buchhändlerin + Café) und Cornelie Sonntag-Wolgast skeptisch. Es hatte viele Medienberichte in den letzten Monaten über die Sanierung des Gestapo- Hauptquartiers an der Stadthausbrücke gegeben. Statt einer Gedenkstätte entstehe hier ein Shoppingquartier, so die Kritik. Dass bescheidene 70 qm des Komplexes dem Gedenken an die NS Verbrechen zugedacht sind und der „Lern- und Gedenkort“ mit einer Buchhandlung und einem Café kombiniert wurde, hatte Empörung ausgelöst.

Passt das und reicht es? fragt Gert Hinnerk Behlmer,  selbst sichtlich berührt. 

Einen Ort des Schreckens,  zentral gelegen in der Hansestadt, dem Konsum überlassen? Die Versäumnisse Hamburgs bei der Erinnerungskultur müssen gründlich diskutiert werden – so auch die Meinung der gut 20 Interessierten, die der Exklusiv-Einladung an Mitglieder des Kulturforums gefolgt waren. 

 

Die derzeit noch provisorisch dokumentarische Ausstellung wird von der Buchhändlerin Stephanie Krawehl mitbetreut. Eine Privatisierung des Gedenkens - ein weiterer Stachel im Auge vieler. Die aus 5 Tischen mit biografischen Texten über die Nazi-Täter bestehende Ausstellung wirkt eher abgestellt als aufbereitet. Dennoch: Zitate der Gefolterten an den Wänden beklemmen einem den Atem.

 Dann gehen wir in den Innenhof. Das modernisierte Gebäude bietet einen malerischen Blick auf die Alsterfleete. Gut, dass die Möwen so laut kreischen, dass es in den Ohren weh tut, als wir in Kleingruppen den ‘Seufzergang’ betreten. In Erwartung der bevorstehenden Misshandlungen gingen hier einst die Gefangenen zum Verhör. Ein etwa 12 Meter langer Gang mit glatt betonierten Wänden und Decken und eine Fensterfront aus gut isolierten Plastikfenstern endet in einer zubetonierten Wand - dort war einst die Tür zum Verhörraum, Ort der Folter und der Ängste der Inhaftierten. 

’Authentizität ist hier nicht mehr zu spüren’ hört man einen älteren Herrn sagen. Wieder oben, schweift mein Blick und bleibt an der Gedenktafel hängen. Sicherlich übersehen hätte man sie, würde man jetzt mit Einkaufstüten durch den Innenhof flanieren. Die Setzung der Schrift erinnert stark an die Nazi- Schriftzüge ‘Arbeit macht frei’ . Viele wundern sich über einen derart unsensiblen Umgang mit der Thematik.

Drinnen im Café darf nun dem leisen Gemurmel eine laute Diskussion folgen. Durch ihren hohen persönlichen Einsatz und den Mut zur Veränderung setzt Stephanie Krawehl einen hoffnungsvollen positiven Impuls für dieses umstrittene Projekt. Es folgen die ersten Beiträge: Der Raum sei totsaniert so Prof. Dr. Rainer Maria Weiss, stellvertretender Vorsitzender der Kulturforums. Ein weiteres Mitglied fügt enttäuscht hinzu, das Kind sei ‚in den Brunnen gefallen’. Starke Reaktionen, die nachdenklich stimmen. Es werden aber auch positive Aspekte angesprochen und Verbesserungsvorschläge gemacht. Man solle mit Musik oder Audio-Aufnahmen die Atmosphäre im ’Seufzergang’ verstärken. Doch Gert Hinnerk Behlmer unterstreicht: „ Betroffenheit durch Gefühligkeit“ , dass braucht es hier nicht“. Allein  Informationen lösten Betroffenheit aus. Man müsse hier einen Lernort mit gut aufbereitetem Informationsmaterial wiederfinden. Man darf auf die für 2019 geplante finale Ausstellung gespannt sein. 

Abschliessend wird ein Exemplar der „100 Hot Spots in Hamburg“ herumgereicht. Das Magazin des ’Hamburger Abendblatts’ spart sich gleich jeden Verweis auf die historische Bedeutung des Gebäudes und wirbt für das Luxus- Shoppingquartier. Shoppen, wo gefoltert wurde - das verträgt sich wirklich nicht, finden viele. Man merkt, wieviel Ärgernis in der Sache steckt. Dass 70 Jahre lang nichts passiert ist, vergisst hier niemand. Einig ist man sich darin, dass der Fassadenbereich umgestaltet werden muss. Nötig sei ein deutlicher Hinweis darauf, was hier von 1933 bis 1943 im Keller geschah. Dieser frei zugängliche Gedenkort im Herzen Hamburgs bietet eine Chance für die Stadt und ihren Umgang mit der Vergangenheit. 

Der Mensch braucht Orte, um sich zu erinnern und zu gedenken, damit er die Gegenwart mit klarem Blick einschätzt und in der Zukunft zu verhindern weiss, was sich im dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte zutrug. Vor allem geht es darum, künftige Generationen zu sensibilisieren. Es bleibt also zu hoffen,  dass  kritische Stimmen ernst genommen werden und nicht mit geschäftigem hanseatischem Kaufmannsgeist die Bereitschaft zu einer von Verantwortungsbewusstsein geprägten Erinnerungskultur erstickt wird.

(Franziska Herrmann)