G-20-Gipfel - Deeskalation via Sprache und Kommunikation
am 22. Juni 2017 um 19:30 Uhr
Kulturfabrik Kampnagel. Jarrestr. 20. 22303 Hamburg
Auf dem Podium:
Frank Drieschner (Reporter Die Zeit)
Dr. Siglinde Hessler* (Abteilungsleiterin Grundsatz/Politische Planung DGB Bezirk Nord)
Emily Laquer* (Pressesprecherin Interventionistische Linke)
Dr. Heike Löschmann (Referentin für Internationale Politik Heinrich-Böll-Stiftung)
Timo Zill (Pressesprecher Polizei Hamburg)
* Mit Dr. Siglinde Hessler und Emily Laquer sind zwei
Protestinitiativen vertreten
Moderation: Jürgen Heuer (Vorsitzender Landespressekonferenz Hamburg)
Fotos: Ibrahim Ot
Die Sicherheitsbehörden wappnen sich – die Gegner und Kritiker des G-20-Gipfels ebenso. Es wird viele Demonstrationen geben, Zusammenstöße sind nicht auszuschließen. In zugespitzten Situationen sind Polizei, Veranstalter von Kundgebungen ebenso wie Reporter dazu aufgerufen, sprachlich abzurüsten, nur gesicherte Erkenntnisse und Fakten mitzuteilen und Gerüchten über mutmaßliche Handlungsabläufe bis hin zu vorschnellen Schuldzuweisungen entgegenzutreten.
In Kooperation luden der Deutsche Journalisten-Verband Hamburg (DJV) und das Kulturforum Hamburg Polizeisprecher, Initiatoren friedlicher Proteste und Medienvertreter zum Disput ein.
Die Diskussion versprach interessant zu werden, trafen doch u. a. Vertreterinnen zweier Protestinitiativen - Dr. Siglinde Hessler (Abteilungsleiterin Grundsatz/Politische Planung DGB Bezirk Nord) und Emily Laquer von der "Interventionistischen Linken" auf den Polizeisprecher Timo Zill, und auch die anderen Diskutanten, Frank Drieschner, der als Redakteur der ZEIT Hamburg über den Gipfel berichten wird, und Dr. Heike Löschmann (Referentin für Internationale Politik Heinrich-Böll-Stiftung) machten ihre Standpunkte sehr deutlich. Doch wenn einer der schlimmsten Vorwürfe, die Kontrahenten einander machen, "Kuschelkurs" ist, dann kann es nicht so schlecht laufen; und dafür hat hier ganz klar Moderator Jürgen Heuer gesorgt, der es auf sehr souveräne Art verstand, den Podiumsteilnehmern einerseits deutliche Statements abzufragen, auf der anderen Seite aber dafür sorgte, dass kleine Polemiken nicht ausuferten und jeder seinen Standpunkt und sein Anliegen dezidiert darstellen konnte.
Zumindest dieses Podium wurde dem hoffnungsvollen Veranstaltungstitel gerecht; es wäre wünschenswert, wenn die Aktivitäten und Aktionen um den Gipfel herum ebenso verliefen.
Dr. Siglinde Hessler vom DGB Bezirk Nord, dem Mitorganisator einer Protestwelle am 2. Juli unter dem Motto „Eine andere Politik ist nötig!“, möchte den Gipfel als Chance nutzen, vor den 'Großen dieser Welt' ihre Anliegen zu artikulieren: Soziale Gerechtigkeit, Fair Trade, Klimaschutz u.a.m.
Emily Laquer, Pressesprecherin der 'Interventionistischen Linken', ist der Meinung, der Ausnahmezustand würde von offizieller Seite bagatellisiert. Im Rahmen der Blockadeaktion BlockG20 ruft sie zu zivilem Ungehorsam auf ("Wir brechen Gesetze, und wir tun es erhobenen Hauptes").
Dr. Heike Löschmann von der Heinrich-Böll-Stiftung ist in der Tradition des zivilen Widerstands Mitorganisatorin des "Gipfels für Globale Solidarität" ('Alternativgipfel') am 5. und 6. Juli auf Kampnagel, bei dem sich 120 Organisationen auf 12 Podien und in 70 Workshops damit befassen, wie Armut, Ausbeutung, Unterdrückung, Krieg und Naturzerstörung überwunden werden könnten. ("Vom NOG20 unterscheidet uns ein Komma: No, G20, so nicht.")
Polizeisprecher Timo Zill rechnet mit 30 Demonstrationen, von denen er sich einen "friedlichen, bunten Protest" wünscht. Seine Kolleginnen und Kollegen haben 44 Kolonnen durch die Stadt zu bewegen und dabei Staatsgäste zu schützen; auch vor islamistischer Bedrohung. Er erinnert an die OSZE-Konferenz im Dezember vergangenen Jahres, die die Polizei "als Partner begleitet hat".
Frank Drieschner, der für die ZEIT Hamburg über den G20 Gipfel schreiben wird, prognostiziert hinsichtlich der Berichterstattung zu politischen Inhalten und zu Organisation und Sicherheit eine thematische Gewichtung von 1:2. Ein Schwerpunkt seiner Situationsberichte wird sein, in welchem Rahmen Bürger ihre Grundrechte werden ausüben dürfen.
Moderator Jürgen Heuer, Vorsitzender der Hamburger Landespressekonferenz, saß entspannt und wörtlich zwischen allen Stühlen und konstatierte, er sei 'in dieser Stadt schon seit einigen Tagen unterwegs' und hätte bei dieser Art von Auseinandersetzungen früher wesentlich Schlimmeres erlebt.
(Renata Green, DJV Hamburg)
Nachtrag zum Bericht über unsere G 20 – Veranstaltung:
Nach den Ausschreitungen anlässlich des „G 20-„ Gipfels in Hamburg am 7. und 8. Juli 2017 sehen auch wir vom Kulturforum Anlass zur Selbstkritik. Im Verlauf unserer Podiumsdiskussion auf Kampnagel am 22. Juni unter dem Titel „G 20 – Deeskalation via Sprache und Kommunikation“ hatte einer unserer Podiumsgäste, Emily Laquer von der „Interventionistischen Linken“, es trotz eindringlicher Fragen eines Besuchers nicht geschafft (oder nicht gewollt?), sich klar von eventuell zu erwartenden Gewaltanwendungen aus dem Lager der Gipfel-Gegner zu distanzieren. Heute sagen wir: Nach wie vor halten wir es für richtig, dass wir Frau Laquer als Mit-Organisatorin einer der zahlenstärksten Demonstrationen als Diskutantin eingeladen haben. Aber wir hätten ihr im Verlauf des Abends laut und energisch widersprechen müssen. Stattdessen haben wir im Stillen gedacht: Sie entlarvt sich selbst. Aber das war nicht genug.
Fotos: Ibrahim Ot