Neue Impulse – die Kunsthalle im Aufbruch?

Prof. Dr. Christoph Vogtherr im Gespräch mit Dr. Melanie von Bismarck (freie Kulturjournalistin)

am Donnerstag, den 13. Juli 2017, um 19 Uhr

in der Hamburger Kunsthalle

 

Seit neun Monaten ist Prof. Dr. Christoph Voghtherr als neuer Direktor der Hamburger Kunsthalle im Amt. Welches Resumée kann über diese Zeit gezogen werden? Wie hat der Direktor seine ersten Monate an der Hamburger Kunsthalle erlebt, was angepackt und wo sieht er für die Zukunft Handlungsbedarf? Im Dialog mit Dr. Melanie von Bismarck geht es um Kulturpolitik, öffentliche Förderung, neue Vermittlungskonzepte und die Frage, wie und ob sich der Auftrag der Kunsthalle seit dem Gründungsdirektor Lichtwark geändert hat.

Fotos: Günther von der Kammer

 

Das ideale Museum – wie sähe es aus? Prof. Dr. Vogtherr, der die letzten fünf Jahre die Wallace Collection in London geleitet hat, betont, dass gerade die Hamburger Kunsthalle als durch die Bürger selbst gegründetes Museum in erster Linie ein Museum für die Stadtgesellschaft sein soll. Wichtig sind deshalb vielfältige Angebote, die ein breites Spektrum an potenziellen Besuchern erreichen, und Offenheit. Das Museum versteht  Vogtherr als eine Art Forum, einen Ort des Austauschs, an dem man sich mit seiner eigenen Geschwindigkeit der Kunst annähert, sich wohlfühlt und sich gerne aufhält. Weltweit tendieren Museen dazu, Lounge-Bereiche einzurichten, die den Besuchern die Möglichkeit zum Durchatmen und Verweilen bieten – auch für die Kunsthalle denke man aktuell über solche Konzepte nach. Zumal gerade auch die auswärtigen Besucher, deren Anteil bei 70 % liegt, schnell feststellen müssen, dass ein Haus dieser Größe Zeit in Anspruch nimmt, um die umfangreiche Sammlung zu entdecken.

 

Der Direktor will auch wieder mehr Hamburger auf die Werke in der Kunsthalle neugierig  machen. In der Tradition Lichtwarks sei man nach wie vor am Überlegen, wie man das Publikum erreiche – die Fragen des Gründungsdirektors seien immer noch aktuell, auch wenn die Antworten heute andere sind. Ein Schritt, um eine diversifiziertere Besucherschaft anzusprechen und gleichzeitig der Testlauf eines modernen partizipativen Anspruchs ist die von Voghtherr initiierte Ausstellung „Open Access“, die noch bis zum 27.8.17 zu sehen ist. In Kooperation mit den 12 Teilnehmern des Projektes wurden viele Werke aus dem Depot geholt, wodurch auch langjährige Stammgäste „ihre“ Sammlung neu erleben können. Gleichzeitig verzichtet die Ausstellung gänzlich auf erklärende Texte. Stattdessen werden die Bilder durch Zitate der Projektteilnehmer begleitet, die oftmals einen gänzlich anderen kulturellen Hintergrund haben und damit teilweise neue Blicke auf bekannte Bilder eröffnen. Diese Art des „freien Kommentars“ wird auch in Zukunft weitergeführt werden – dann jedoch online in der Sammlungsdatenbank der Kunsthalle. Etwa 40.000 Werke sind dort bereits eingespeist, man arbeitet weiter an der Onlinepräsenz und der medialen Vermittlung.

Für die Zukunft soll das Vermittlungsangebot gerade auch in Bezug auf die kleinsten Gäste weiter ausgebaut werden. Die Zusammenarbeit mit den Schulen hat sich bereits etabliert, neu geschaffen wird eine Stelle, die mit KiTas arbeiten wird. Um neben den Kindern, die in der Kunsthalle freien Eintritt haben, auch Erwachsene aller Milieus anzusprechen, könnte man durchaus auch über Konzepte wie freien Eintritt an den Donnerstagabenden nachdenken. Vogtherr hat durch die kostenlos zugängliche Wallace Collection Erfahrungen mit diesem Konzept gesammelt. Es wirkt sich äußerst positiv auf die Besucherzahlen aus. Dennoch sind die Institutionen in Deutschland durch die Kulturpolitik von den Eintrittsgeldern, die einen großen Teil des Budgets einspielen, abhängig. In welchem Rahmen man den Eintritt, der als Hemmschwelle nicht zu leugnen sei, aussetzen könne, muss der neue Geschäftsführer kalkulieren, der in drei Wochen seinen Antritt haben wird.

Ob Ausstellungen zu bestimmten Themen nicht eine größere Rolle spielen sollten, fragte Moderatorin Melanie von Bismarck. Vogtherr kündigte für die nahe Zukunft eine Ausstellung zum Thema „Katastrophen“ an.

In der Tradition des Museums für die Bürger stellt der neue Direktor weiterhin genau die Fragen, die bereits Lichtwark so wichtig waren, und sucht nach zeitgenössischen Antworten. Neue Impulse sind vorhanden, werden aber mit besten Wissen und Gewissen im Sinne der Verantwortung der Kunsthalle für ihre Stadt gedacht. (Anne Simone Krüger)