Was sch(n)ützt der Denkmalschutz?

 

Montag, den 21.3.2016 um 19:00 Uhr

Kunstverein Hamburg, Klosterwall 23, 20095 Hamburg

 

Was schützt beziehungsweise was nützt der Denkmalschutz in Hamburg? Diese Frage stellte das Kulturforum Hamburg e.V. am 21. März 2016 an seine Podiumsgäste und an das überaus zahlreich erschienene Publikum. Zur Veranstaltung kamen über 100 interessierte Besucher.

 

Auf dem Podium waren zu Gast:

Frank Pieter Hesse, ehemaliger Leiter des Hamburger Denkmalschutzamtes, freiberuflicher Gutachter für Denkmalschutz, Denkmalkunde und Denkmalpflege

Prof. Jörn Walter, Oberbaudirektor

Dr. Sylvia Necker, Architekturhistorikerin

Dirk Meyhöfer, Architekturjournalist

Prof. Dr. Sigrid Brandt, Generalsekretärin ICOMOS Deutschland

Die Veranstaltung wurde von Ruth Asseyer, Freie Mitarbeiterin beim NDR  in Hamburg moderiert.

  

Ausgangspunkt war der umstrittene City-Hof am Klosterwall. Für manche ist er ein unverzichtbares Merkmal ihrer Stadt, Zeugnis der Aufbruchstimmung in den Aufbaujahren, für andere schon immer eine Missgestalt. Legitime Vorstellungen von einer veränderten Stadtgestalt an dieser Stelle verlangen den Abriss. Ausgehend davon wurde über die Funktion des Denkmalschutzes und seine Akzeptanz in Politik und Öffentlichkeit in der Hansestadt Hamburg diskutiert.

Die Veranstaltung wurde durch Marco Alexander Hosemann eröffnet, Mitglied der Initiative City-Hof, die sich für eine Erhaltung der vier Hochhäuser einsetzt. Mit einer Präsentation zur Baugeschichte und zur städtebaulichen Entwicklung des Kontorhausviertels stellte er die Bedeutung des City-Hofs im Kontext der städtebaulichen Entwicklung und im Kontext des Werkes von Architekt Rudolf Klophaus heraus.

 

Mit der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes am 1. Mai 2013 wurde der City-Hof offiziell als ein Kulturdenkmal gewürdigt - zu Recht, meint die  Architekturhistorikerin Dr. Sylvia Necker. Der City-Hof sei ein Zeugnis der 50er und 60er Nachkriegsmoderne. Diese Ablesbarkeit von Zeitgeschichte möchte sie bewahren. Der eigentliche Bau, der meist nur auf seine „hässliche", nachträglich angebrachte Fassade reduziert werde, stehe oft im Hintergrund. Die Architektur und ihre städtebauliche Bedeutung sollten vielmehr in den Fokus der Betrachtung rücken. Durch frühe Bauschäden an der Originalfassade aus hellen LECA-Platten, konnte der City-Hof so gut wie nie in seiner ursprünglichen Qualität wahrgenommen werden.

 

Frank Pieter Hesse mahnte die Stadt, dass sie als Denkmalpfleger ein Vorbild sein müsse und ein eingetragenes Denkmal später nicht einfach abgerissen werden könne. In einem Vortrag aus dem Jahr 2012 machte er seinen Standpunkt zur Aufgabe des Denkmalschutzes deutlich: „Es ist Aufgabe von Denkmalschutz und Denkmalpflege, die Kulturdenkmäler wissenschaftlich zu erforschen und nach Maßgabe dieses Gesetzes zu schützen und zu erhalten, sowie darauf hinzuwirken, dass sie in die städtebauliche Entwicklung, Raumordnung und Landespflege einbezogen werden.“ Er ging dabei auch auf die Rolle der Pufferzone ein, die verhindern soll, dass sich Denkmalschutzinseln bilden. Der City-Hof befindet sich in der Pufferzone der zum Weltkulturerbe erklärten Speicherstadt. Im Konsens mit Prof. Dr. Sigrid Brandt, Generalsekretärin von ICOMOS Deutschland, sprach er sich für die Bewahrung einer städtebaulichen Einheit aus. Zu einem solchen Ensemble gehörten „insbesondere kennzeichnende Straßen-, Platz- und Quartiersbilder (...), wobei nicht erforderlich ist, dass jeder einzelne Teil des Ensembles ein Denkmal darstellt.“ (Stadtwerkstatt 19. 9.2012 Frank Frank Pieter Hesse, 2012) http://www.hamburg.de/contentblob/3617122/data/denkmalschutz-denkmalpflege.pdf

Die Wichtigkeit der Pufferzone hob auch der Architekturjournalist Dirk Meyhöfer heraus, da immer die ganze Baugeschichte betrachtet werden müsse. Er kam zu einem etwas differenzierteren Urteil, plädierte letztendlich aber auch für den Erhalt des City-Hofs.

Anderer Meinung ist dagegen Oberbaudirektor Prof. Jörn Walter. Er betrachtet den City-Hof nicht als einen Ort, der für die Zukunft Hamburgs wichtig ist, und stellte seine ästhetisch-künstlerische Bedeutung im Vergleich zu anderen Gebäuden der 50er und 60er Jahre infrage. Nicht alles müsse auf Ewigkeit konserviert werden. Zudem sei fraglich, ob der Zeugniswert überhaupt noch vorhanden sei. Den hält er für begrenzt, da die Originalfassade fast nie zu sehen war und ihre Rekonstruktion eher unmöglich scheint. Ein Abriss würde die Neugestaltung des Standortes zulassen und möglicherweise eine bessere städtebauliche Lösung hervorbringen.

Diese Auffassung teilt Prof. Dr. Sigrid Brandt nicht. Die Qualität des City-Hofs besteht in ihren Augen darin, dass er die Stadtentwicklung Hamburgs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sichtbar macht und durch seine offene Architektur, vom Hauptbahnhof aus gesehen, wie ein Türöffner zum Kontorhausviertel wirkt. Zustimmung erfährt sie von Dr. Sylvia Necker, die bei einer Neubebauung mit maximaler Ausnutzung der Fläche die Abriegelung des dahinterliegenden Viertels befürchtet.

Dass der Bau einer solchen Architektur, die damals eben nicht auf maximale Auslastung abzielte, heute so nicht mehr möglich wäre, betont auch Dirk Meyhöfer. Seiner Ansicht nach könnte man im Zuge einer Sanierung viel aus dem City-Hof machen, aber eben nicht unter finanziellen Gesichtspunkten.

 

Laut Frank Pieter Hesse stand bei der unter Unterschutzstellung des City-Hofes auch  nicht seine künstlerische Qualität im Fokus, sondern sein historisch-städtebauliches Leitbild, das dort noch in Reinform vorhanden ist und so eine städtebauliche Epoche veranschaulicht.

 

Doch wie kann eine solche Rehabilitierung des City-Hofs aussehen?

Für Frank Pieter Hesse ist vieles vorstellbar. Ein vorangegangener Wettbewerb brachte bereits einen ersten Platz für ein Umnutzungskonzept ohne Abriss hervor. Warum der Entwurf von Volkwin Marg nachträglich abgelehnt wurde, ist unklar und wirft viele Fragen bezüglich der Transparenz und Durchführung des Wettbewerbs auf.

Prof. Jörn Walter versicherte, dass die Hansestadt Hamburg  im Falle eines Neubaus einen hochkarätigen Architekturentwurf umsetzen werde, welcher der Wichtigkeit dieses Ortes Rechnung tragen wird. Die Planung soll in Zusammenarbeit mit der UNESCO geschehen.

 

Die anschließenden emotionalen Reaktionen aus dem Publikum zeigten, wie sehr viele Hamburger Bürger doch am City-Hof hängen und wie misstrauisch sie den gescheiterten Architekturwettbewerb beziehungsweise den Denkmalschutz beäugen. Eine Wortmeldung betonte die Wichtigkeit internationaler Architekturwettbewerbe für eine Metropole wie Hamburg.

Marco Alexander Hosemann plädierte noch einmal für einen nachhaltigen Umgang und eine clevere Weiternutzung der Gebäude.

Eine Besucherin warf Oberbaudirektor Jörn Walter vor, dass konkrete städtebauliche Argumente für einen Abriss bisher fehlten. Er begründete seinen Standpunkt so: Die zukünftig städtebaulich immer wichtiger werdende Achse zwischen Hauptbahnhof - Ring - Hafencity braucht eine Architektur, die nach außen wirkt. Der City-Hof sei aber eine nach innen gerichtete Architektur. Auch eine Umnutzung der Gebäude für Wohnungen sei schwierig aufgrund der Lärmintensität, der vielen Fensterscheiben und der schlechten Tiefgarage. Zudem möchte er die Situation um den Burchardplatz verbessern, das Herzstück des Kontorhausviertels, das aber vor lauter Autos überhaupt nicht zur Geltung komme.

Aus dem Publikum kam ebenfalls die Frage, ob der Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes nicht ein Rechtsbruch sei. Frank Pieter Hesse erklärte, es sei Aufgabe der Stadt, diese Häuser zu erhalten. Für einen Abriss sei eine Sondergenehmigung des Denkmalschutzamtes nötig. Es sei  vor allem eine politische Frage, wie die Hansestadt Hamburg mit ihren Denkmälern umgeht.

 

Das Spannungsfeld in der Diskussion um den Erhalt oder Abriss des City-Hofs ist in dieser Veranstaltung noch einmal deutlich geworden und noch ist keine Entscheidung gefallen. Am 31. März 2016 wird die Hamburger Bürgerschaft in einer Abstimmung darüber entscheiden. 

(Marita Landgraf)