Kultur und Schule

am 3. April 2024 um 19:30 Uhr

Kulturfabrik Kampnagel, Raum KMH, Jarrestraße 20, 22301 Hamburg

 

Projekte in Musik, Bildender Kunst, Tanz, Theater, Design sowie digitale Medienprojekte, Festivals, Plattformen und Freiräume sind ein Standortfaktor im Wettbewerb der Schulen und verfolgen vielfach Konzepte zur Förderung von mehr Chancengerechtigkeit in bildungsbenachteiligten Stadtregionen. Die Schüler*innen erleben mehr und dabei ein Mehr an Selbstwirksamkeit.

Diverse Programme, gefördert aus Mitteln der Fachbehörden BSB und BKM sowie von Stiftungen ermuntern Schulen zur Teilnahme, zum Beispiel der Projektfonds ‚Kultur und Schule‘ oder TUSCH. Theater und Schule. Die Vernetzung von Schulen, Kulturinstitutionen und Kreativen wird zum Beispiel durch die Kulturagent*innen unterstützt. Zahlreiche Schulen haben speziell geschulte Kulturbeauftragte, manche sogar auf Beförderungsstellen. Mit eigenen Budgets im Rahmen der staatlich zugewiesenen Haushaltsmittel können sie auch außerschulische Kooperationen finanzieren. Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) berät die Schulen, gibt Handreichungen zur Förderung von Kreativpotentialen heraus und hat dazu das Zentrum für kulturelle Bildung und Vermittlung eingerichtet (https://zkbv.li-hamburg.de/).

Die Dokumentationen der Projekte belegen positive Wirkungen auf die Begeisterungsfähigkeit der Beteiligten und die Schulentwicklung. Genug der Gelingensbedingungen? Die Frage bleibt, ob trotz all dieser Bemühungen tatsächlich alle Kinder vergleichbare Chancen auf den Zugang zu kultureller Bildung haben und wie nachhaltig das Erreichte und Potentielle sein wird. Und wenn Schwachstellen erkannt werden: Was tun?

Wir freuen uns auf einen konstruktiven Austausch auf dem Podium.

 

Unter der Moderation von Christoph Twickel (Die ZEIT Hamburg) diskutieren:

Heinz Grasmück, Direktor des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung

Sabine Wesemüller, Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg

Volker Clasing, Helmut-Schmidt-Gymnasium

Petra Kochen, Gabriele Fink Stiftung

Heike Roegler, Altonaer Museum, Vorstand LAG e.V.

Matthias Anton, Kulturagent*innen Hamburg e.V. 

Fotos Gerhard Lein: Moderator Christoph Twickel und Heike Roegler / Heinz Grasmück / Petra Kochen / 

Matthias Anton / Hella Schwemer-Martienßen (Kulturforum) / Sabine Wesemüller / Volker Clasing

 

Eins war am Ende dieser konzentriert und sachkundig geführten Debatte noch klarer als zu Beginn: Die alte Vorstellung von „musischen Fächern“ als hübsche Beigabe zum ansonsten harten Lehrstoff, als nette Entspannung nach spröder Gehirnarbeit ist lange überholt! Es geht um umfassende Bildung durch Kultur, um Chancengerechtigkeit und Demokratie; es geht darum, überholte Klischees zu überwinden, Kreativität zu fördern – auch und gerade als Chance, den Folgen wachsender Kinder-Armut etwas entgegenzusetzen. „Das fliegt uns um die Ohren, wenn wir nicht handeln!“, so einer der Teilnehmer.

Erschienen waren Sachkundige, die ihre Fähigkeiten und Impulse von außen in die Schulen hineintragen, wie Petra Kochen (Gabriele Fink Stiftung), Heike Rögler (Altonaer Museum, Vorstand LAG) und Matthias Anton (Kulturagent*innen Hamburg e.V.) sowie diejenigen, die in den Schulen selbst Verantwortung tragen: Sabine Wesemüller (Abteilungsleiterin G an der Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg) und Volker Clasing (Leiter des Helmut-Schmidt-Gymnasiums in Wilhelmsburg). Den erkrankten Staatsrat Rainer Schulz (BSB) vertrat Heinz Grasmück, Direktor des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung.

So kam auch das Zusammenwirken kultureller Förderung von innen wie von außerhalb der Schule zur Sprache. Heike Rögler stellte die Impulse für Chancengleichheit und Demokratie heraus; Petra Kochen schilderte, wie ihre Stiftung Projekte erarbeitet, den Kontakt zu Politikern und Lehrern sucht – eine wichtige Unterstützung für die Arbeit an den Schulen, wie Sabine Wesemüller und Volker Clasing betonten. „Hamburgs Schulen haben gute Fortschritte gemacht, wenn es darum geht, spielerisch Fähigkeiten zu erwerben. „Den Spieltrieb der Kinder nicht unterdrücken!“, forderte Clasing. Und für Matthias Anton ist kulturelle Bildung auch „Beziehungsarbeit“.

Ob eine Schule sich eine(n) Kulturbeauftragte(n) „leistet“, bleibt ihr selbst überlassen. Gibt es dazu genügend geeignete Leute? Die Podiumsrunde ist hoffnungsvoll. Beispiel für Kooperation zwischen „Außen“ und „Innen“: Stücke einer Ausstellung der Deichtorhallen wurden in Schulen gebracht, um sie dort als Arbeits- und Lern-Objekte zu nutzen. Es gebe viele Menschen aus dem Kulturbereich, die pädagogisch begabt seien und ohne entsprechende Vorbildung eingesetzt werden könnten. Neue Studiengänge an der HfbK verstärkten den Trend. Heinz Grasmück sieht in der kulturellen Bildung die Chance auf „die Veränderbarkeit der Welt“ und erinnerte daran, dass in Diktaturen und autoritären Regimen die Kreativität als „gefährlich“ unterdrückt und verboten werde. Heike Rögler forderte aber auch für unser Bildungssystem, dass Schule sich verändern müsse, der Bildungsauftrag ebenfalls.

Das Publikum – rund 50 Gäste waren in die KMH auf Kampnagel gekommen – hörte konzentriert und interessiert zu. Der Podiumsrunde schlossen sich Fragen und Vorschläge an. So forderte ein Zuhörer, die Kinos stärker in die schulische Bildungsarbeit einzubinden. Lebhafte Zustimmung des Podiums. Fazit: Es gibt in Hamburg gute, aber durchaus noch steigerungsfähige Konzepte. Jegliche Förderung ist wichtig; Projekte brauchen stärkere Unterstützung und Finanzierung; eine enge Kooperation in Bildungsfragen hilft weiter, auch mit den Kitas. Fortschritte sollten von den Medien stärker gewürdigt werden. Wünschenswert wäre der Ausbau der Schulen am Wochenende als große Treffpunkte. Das alles ist nicht nur eine Aufgabe für Lehrer, zuständige Behörden, Institute, Kulturbeflissene und -Engagierte – sondern für die Gesellschaft insgesamt. (Cornelie Sonntag-Wolgast)