Frischer Wind in Hamburgs Kleinkunst-Szene – Neustart am Steindamm!
am Montag, 10. Oktober 2022, um 19.30 Uhr
Steindamm 45 20099 Hamburg Tel. 040/639 11 995
Auf der Bühne:
Michel Abdollahi (Betreiber des Centralkomitees)
Amelie Deufelhard (Intendantin der Kulturfabrik Kampnagel)
Moderation: Mischa Kreiskott (NDR Kultur)
Das ‚Polittbüro‘ ist Geschichte – das bisherige Betreiberduo Lisa Politt und Gunter Schmidt hat sich verabschiedet. Aber die Kleinkunstbühne in St. Georg erlebt einen Neustart: Michel Abdollahi, NDR-Moderator, Journalist und Literat, ist jetzt gemeinsam mit Robert Oschatz Betreiber im umgebauten Haus, das nun ‚Centralkomitee‘ heißt. Das Kulturforum freut sich, dass Michel Abdollahi uns schon kurz nach der Eröffnung für eine Podiumsrunde zur Verfügung steht. Wir erfahren sicherlich manches über Pläne und Konzepte, Risiken und Chancen eines solchen Neubeginns angesichts politischer und sozialer Entwicklungen, bei denen einem manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt. Als weiterer Podiumsgast ist Amelie Deuflhard mit von der Partie, die gerade in diesem Herbst auf Kampnagel das 40jährige Jubiläum feiern kann.
Fotos Gerhard Lein: Amelie Deufelhard / Michel Abdollahi
Noch riecht es im Eingang nach frischer Farbe, manche Durchgänge sind mit weißroten Bändern versperrt. Ende Oktober, so mutmaßt Michel Abdollahi, soll alles fertig sein. Immerhin, das Programm läuft seit Ende September, fast jeden Abend gibt es Vorstellungen. Das Kulturforum hatte gleich nach dem Neustart im Haus des ehemaligen „Polittbüros“ am Steindamm die Chance, den jetzigen Betreiber nach seinen Plänen und Konzepten zu befragen. „Centralkomitee“ heißt die Kleinkunstbühne jetzt – mit „C“, weil Hamburg auf seinen Wegweisern das Wort „Centrum“ ebenfalls so buchstabiert.
Der Umbau – ein Hürdenlauf, berichtet Abdollahi. Aber so ist es eben, wenn man Neues anstrebt, sagt auch Kampnagel-Chefin Amelie Deuflhard, ebenfalls Podiumsgast. „Solange man alles lässt, wie es war, geht es einigermaßen – aber wenn man umbaut, kommen die Probleme“ – was durchaus doppeldeutig zu verstehen ist, nämlich als Markierung im Umgang mit künstlerischer Weiterentwicklung. Genau darum aber geht es Abdollahi und Amelie Deuflhard: Nach vorn schauen, Ungewohntes erproben, die Nachwirkungen der Pandemie verkraften. „Die Leute gehen nicht mehr so viel raus“, berichtet Amelie Deuflhard, „was man vorher draußen unternommen hat, wird jetzt häufig nach innen verlegt.“ Immerhin komme Kampnagel wieder auf eine Auslastung von 80 Prozent im Vergleich zur Lage vor Corona. Die Besucherzahlen im noch jungen Unternehmen „Centralkomitee“ schwanken. Abdollahi fragt: „Wollen die Leute sich abends durch Geschehen auf der Bühne verzaubern lassen – wo sie doch über den ganzen Tag elektronisch alles Mögliche angeboten bekommen?“ Er will versuchen, die Menschen im Stadtteil St. Georg, speziell auch auf dem Steindamm ansprechen – damit sie mal hereinschauen, fragen, was da los sei. Wie Amelie Deuflhard ist er bestrebt, Migranten mit einzubeziehen – sowohl als Publikum als auch aktiv mitarbeitend. Auf Kampnagel wird das bereits mit Erfolg praktiziert.
Eine junge Zuhörerin riet, bei den Bemühungen, junge Leute zu gewinnen, stärker in den Schulen anzusetzen. Es war das Hautthema dieser von Mischa Kreiskott klug moderierten Gesprächsrunde vor interessiert lauschenden Zuhörern: Mit künstlerischen Mitteln dafür kämpfen, bei den Menschen Neugier zu wecken und den Willen, sich dem Unbekannten öffnen. Das könne dauern, da müsse man durchhalten. Es gibt den Wunsch nach Gemeinschaft und in Gemeinschaft lustig sein, darüber waren sich beide einig. Wobei die Kampnagel-Chefin sich vorstellt, dass es momentan schwierig sei, Witze zu machen. Denn Satire bedeutet Zuspitzung. Aber: „Egal, ob Du irgendein ‚falsches Wort‘ sagst – es gibt Probleme.“
Abdollahis Fazit: „Künstler, die eine klare Botschaft senden, werden auch wahrgenommen. Es ist gut, dass es dafür kein Rezept gibt. Es muss aus Dir selber kommen, aus Deiner Seele.“ (Cornelie Sonntag-Wolgast)
Mischa Kreiskott, Wortmeldung im Publikum