Was ist das Lutherische in den Künsten?

Mittwoch, den 11. Oktober 2017 um 19.30 Uhr

in der Hauptkirche St. Katharinen, Katharinenkirchhof 1, 20457 Hamburg

 

Von Gedanken und Erkenntnissen zu den Einflüssen der Reformation auf Sprache, Bildung, Gesänge und Kirchenbauten bis zu Orgelimprovisationen spannte sich der Bogen in der Veranstaltung des Kulturforums. Die Hauptkirche St. Katharinen gilt mit ihrem Turmschaft aus dem 13. Jahrhundert nach dem Leuchtturm von Neuwerk als zweitältestes aufrecht stehendes Bauwerk Hamburgs. Für die Reformationszeit spielt sie eine wichtige Rolle. Hier wirkte der erste evangelische Pastor in Hamburg, auch ein Orgelkonzert von J.S. Bach ist 1720 hier entstanden. 1813 zogen die Franzosen in das Bauwerk ein und benutzten es als Pferdestall, 1943 wurde es im Feuersturm bis auf die Grundmauern zerstört. Und nach dem Wiederaufbau? „Die Architektur richtet auf, sie erdrückt nicht“, sagte Hauptpastorin Ulrike Murmann. „Die Kirche will auch Teil des öffentlichen Lebens sein. Sie ist täglich offen, zeigt Ausstellungen und Filme.“ – Luthers starkes Engagement für Bildung und Sprache fußt auf der Erfindung des Buchdrucks, sie machte seine Bibelübersetzung erst populär, so die Pröpstin weiter. „Von nun an konnte man selbst lesen, was in der Bibel steht.“ Ulrike Murmann erinnerte an die zahlreichen Wortschöpfungen, die in unseren modernen Sprachgebrauch Einzug gehalten haben: „Perlen vor die Säue“, „ein Herz und eine Seele“, „etwas herausposaunen“, „Stein des Anstoßes“, „ein Buch mit sieben Siegeln“, „Wolf im Schafsspelz“ und vieles mehr. Und für den Lieddichter und Komponisten Luther hatte die Musik den ersten Platz nach der Theologie. „Reformerische Identität heißt: sich nicht zurückziehen“, so Murmanns Fazit.

Der Organist und Komponist Claus Bantzer spricht von „gesungener Theologie.“ „Das Wort Gottes will gepredigt und gesungen sein“, sagte Luther. Zu seinen Lebzeiten entstand auch das Evangelische Kirchengesangbuch. Viele Texte wurden in der Reformationszeit mit Flugblättern verbreitet, auf Marktplätzen gesungen, manche Lieder wie z.B. „Nun freut Euch, lieben Christen g‘mein“ schneller, tänzerischer als in der eher gemessenen Form des heutigen Gottesdienstes.

Mit seinen nuancenreichen, phantasievollen Orgelimprovisationen, zum Beispiel über „Ein‘ feste Burg ist unser Gott“ (das Lied, das Heine einmal „die Marseillaise der Reformation“ nannte) prägte Bantzer die besondere Atmosphäre dieses Abends. Der Kunsthistoriker Arwed Arnulf lieferte mit seinen Erläuterungen und Bildbeispielen interessante Informationen zur Rolle der Reformation in der bildenden Kunst – wobei er auch erwähnte, dass die Suche nach „protestantischem Bild-Denken“ noch nicht beendet ist, sondern in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten intensiver betrieben wird. Holzschnitte und Kupferstiche dienten der Darstellung kontrovers geführter Debatten. Grundgedanke im Protestantismus: „Man soll Bilder verstehen, schön finden – aber nicht anbeten.“ Mit bemerkenswertem Eifer nutzten wohlhabende Stifter seit dem 16. Jahrhundert Kirchen zur Pflege und Betonung von Familientraditionen, indem sie Chöre und Gestühl entsprechend etwa mit Stammbäumen kennzeichneten und ausschmückten oder extra Emporen bauen ließen. Sie füllten und möblierten Gotteshäuser also  mit repräsentativen Objekten auf. Handwerksbetriebe lieferten dazu den Bedarf und zeigten ihr Angebot auf Plakaten an. Den Gästen und Freunden des Kulturforums  gefiel die Vielfalt der angeschnittenen Themen. (Cornelie Sonntag-Wolgast)