Was wollen wir eigentlich wissen?

Zum kritischen Umgang mit Informationen

Podiumsdiskussion

6. November 2018 um 19.00 Uhr

Internationale Kulturfabrik Kampnagel, Jarrestraße 20,  22303 Hamburg

 

Wissbegierig sind wir sicherlich alle. Aber wollen wir eigentlich alles wissen, was gedruckt, gesendet und „gepostet“ wird? Wie viele Informationen brauchen wir, behalten wir im Gedächtnis? Und wie steht es mit dem Wahrheitsgehalt angesichts der inzwischen bestehenden Möglichkeiten zur Manipulation und der Verbreitung von Nachrichten über Algorithmen?

Erwiesen ist, dass der Mensch Meldungen eher aufnimmt und speichert, die die eigenen Ansichten bestätigen und verstärken. So können geschlossene, schwer durch Fakten aufzubrechende Weltbilder entstehen – was wiederum unsere Debattenkultur wie auch die politische Meinungsbildung prägt. Wir – Kulturforum und Deutscher Journalistenverband Hamburg – fnden, dass es sich lohnt, darüber zu reden.

 

Auf dem Podium:

Laura-Lena Förster (Stellvertretende Chefredakteurin stern.de)

Katharina Kleinen-von Königslöw (Professorin für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg)

Lars Haider (Chefredakteur Hamburger Abendblatt)

Moderation: Johannes Meyer (Journalist)

 

Fotos: Günther von der Kammer

Marina Friedt, Vorsitzende des DJV Hamburg (li), sowie Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Vorsitzende des Kulturforums / Anhand einer Collage demonstriert Fotograf Christian Enger die seiner Ansicht nach unausgewogene Berichterstattung zu Kulturveranstaltungen im Hamburger Abendblatt / Katharina Kleinen-von Königslöw / Marina Friedt im Gespräch mit den Podiumsgästen

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Morgens zu Kaffee und Frühstücksei die Tageszeitung durchblättern und dann für den restlichen Tag ausreichend informiert sein - diese Zeiten sind längst vorbei! Immer neue Nachrichten prasseln rund um die Uhr auf uns herab, immer mehr Informationsquellen stehen uns zur Verfügung. Doch wie gehen wir mit der täglichen Informationsflut um und was wollen wir eigentlich wissen?

 

Darüber sprach Johannes Meyer am Abend des 6. November 2018 mit Katharina Kleinen-von Königslöw, Professorin für Journalistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität Hamburg, und dem Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, Lars Haider,  im gut besuchten Saal auf Kampnagel. 70 bis 100 Mails bekommen die beiden täglich. Da braucht es Strategien, um sich zurechtzufinden. ‘Am besten in verschiedene Ordner sortieren’ , erklärt die Wissenschaftlerin .Der Journalist erwidert : löschen!. Das Publikum lacht. Wichtiges von Unwichtigem trennen müssen wir alle täglich, bewusst und unbewusst. Unsere selektive Wahrnehmung entscheidet, was wir uns merken und abspeichern: am liebsten das, was unsere bestehenden Ansichten und unser bereits vorhandenes Weltbild bestätigt. Wer entscheidet  darüber, was in der Zeitung steht? Woher wissen die schreibenden Journalisten, was interessiert? Lars Haider : ‘Die Leser in Hamburg  interessieren sich z.B. für Immobilien, Verkehrspolitik und den HSV. Diese Themen können wir noch viel besser bedienen, seit wir wissen, welcher Artikel wie oft angeklickt wurde. Durch das Internet und die Abos sind wir noch direkter mit den Lesern verbunden’.

 

Das Internet sieht er nicht als Gegner, auch wenn mancher Nachbar schon Youtube als sichere Quelle wähnt und zitiert. ’Wenn es wichtig ist,  dann gehen die Menschen zu den Tageszeitungen ’. Bildlich gesprochen: Der  moderne Mensch braucht einen Thermomix. ’Die Zeitungen übernehmen diese Aufgabe, sie treffen eine Auswahl und liefern uns je nach Interesse das Relevanteste ’- so der Chefredakteur. Dass er tatsächlich noch von Lesern gefragt wird, ob Angela Merkel am Montag oder am Dienstag morgen anruft und anordnet, was berichtet werden solle – Thesen, wie sie z.B. von Pegida-Anhängern verbreitet werden -  kann man kaum glauben. Katharina Kleinen - von - Königslöws  Sorge ist, ’dass viele Menschen davon ausgehen, jede Nachricht erreiche sie schon irgendwie, man könne einfach warten, dass alles zu Ihnen kommt.“ Folglich besteht die Gefahr,  dassgesellschaftliche Randgruppen , die per se oft wenig Medienvertrauen mitbringen, sich zu „Interpretationsgemeinschaften verschwörungstheoretischer Inhalte zusammentun,’ so Kleinen - von - Königslöw. ’Am Ende sucht sich jeder seine eigene Wahrheit  - doch eine Gesellschaft braucht gemeinsame Wahrheiten!

 

Kleinen -von- Königslöw berichtet von einer Studie, nach der die Leute sich schon informiert fühlen, wenn sie am Smartphone durch die verschiedenen Nachrichtenquellen durchwischen’ . Ein Herr aus dem Publikum hofft, dass sich durch den Auftrag der öffentlich rechtlichen Sender  in Deutschland die starke Zensur,  wie sie in  Amerika um sich greift,  nicht durchsetzt. Ein Fotojournalist  zeigt zwei vorbereitete Tafeln, auf denen der Kulturteil des Abendblatts zu sehen ist. Während rechts die Elbphilharmonie bildlich ausgeschmückt die ganze Seite einnimmt , sieht man auf der linken Seite im Kleinformat mit kleinen Bildern bestückt anderweitige Tanz- und Kunstveranstaltungen besprochen. Lars Haider begründet die Diskrepanz mit dem größeren Interesse der Leser an Veranstaltungen in der Elbphilharmonie. Ob es kulturfördernd gedacht ist, dass die Anzahl der Zuschauer die Größe eines Artikels bestimmt und durch die Sichtbarkeit Möglichkeiten schafft oder eben auch verhindert - das sollten sich auch die Feuilletons und Kulturteile fragen, um vielleicht risikobereiter und somit vielfältiger und offener zu werden. In politischen Zeiten wie diesen eigentlich unumgänglich. Denn richtig ist, politisch oder kulturell:  In der Zeitung kommt vor, was bereits ist, doch es wird eben auch gesteuert, was sein wird! (Franziska Herrmann)